Montag, 5. Oktober 2015

Cocktails von Pamela Moore.


Originaltitel: Chocolates for breakfast - Aus dem Amerikanischen von Tanja Handels - Erschienen im Piper Verlag - 2015 - Vielen herzlichen Dank für das Leseexemplar!

"Wir werden Champagner zum Frühstück trinken, und ich verspreche dir, es wird ein grandioser Sommer." - Courtney Farrall ist sechzehn Jahre alt und lebt das aufregende Leben einer erwachsenen Frau. Auf den ausschweifenden Künstlerpartys ihrer Mutter, in den schummrigen Hotelbars und den mondänen Bungalows von Hollywood. Verzweifelt sucht sie nach Halt.

Ihr mögt Sylvia Plath? Ihr mögt F. Scott Fitzgerald? Ihr mögt mich? Dann lest "Cocktails" von Pamela Moore und lasst uns gemeinsam eine Bande gründen! Ein wenig hatte ich vor der Lektüre dieses Buches Angst, weil der Verlag sehr stark mit der Ähnlichkeit zu Sylvia Plath geworben hat und die Plath mag ich schon wirklich arg gerne (hier fällt mir mal wieder ein, dass ich dringend wieder "Die Glasglocke" und noch dringender endlich mal ihre anderen Bücher lesen muss). "die Wiederentdeckung eines modernen Klassikers" heißt es außerdem im beiliegenden Informationsmaterial. Aber - ich wurde nicht enttäuscht, sondern vollkommen zufriedengestellt.

Courtney Farrall ist die Tochter einer alternden Schauspielerin, die versucht, in Hollywood Rollen zu ergattern. Klappt aber nur semigut. In der Zwischenzeit lebt Courtney im Internat (da ging mein Herz schon auf, früher liebte ich Geschichten, die in Internaten spielten und ja, ich liebte insbesonderes "Hanni und Nanni, danke der Nachfrage) und vertreibt sich die Zeit mit ihrer Zimmergenossin Janet, einem verwöhnten, reichen Mädchen. Die Schwärmereien für eine Lehrerin werden relativ schnell unterbunden, Courtney verlässt das Internat, weil ihre Mutter Angst hat, Courtney würde dort depressiv werden. Als ob das in Hollywood besser werden würde. Alkohol und die Entjungferung durch einen schwulen Schauspieler hinterlassen bei der melancholischen Courtney starke Spuren, auch der Umzug nach New York bringt keine Besserung. Sie lässt sich von Party zu Party, von Rausch zu Rausch treiben und lässt ihre Kindheit und Jugend viel zu schnell hinter sich. 

"Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass wir vielleicht ein bisschen albern klingen könnten?"
"Nein, eigentlich nicht", erwiderte Courtney nachdenklich. "Aus meiner Sicht klingt es eher albern, dass die anderen Leute da draußen ihre Rechnungen bezahlen."

Was mich an "Cocktails" besonders begeistert hat, ist Pamela Moores Gespür für ihre Figuren und der Zeit, in welcher sich diese bewegen. Und das sag ich nicht nur, weil Isherwood und Fitzgerald erwähnt werden. Auch sonst wird das mondäne Leben im Hollywood bzw. in New York der 50er Jahre sehr schön eingefangen. Partys, um der Party willen, Alkohol und Sex, um die Eltern zu schockieren. Die Lost Generation der 50er Jahre. Und mittendrin Courtney, die auf der Schwelle zwischen Kind und Erwachsene, Mädchen und Frau steht, ihren Platz im Leben verzweifelt sucht und diese Suche doch lieber verschiebt, um noch einen Scotch zu trinken. 

Dazu kommt ein sehr feinsinniger Humor (Beispiel: Courtney isst bei ihrer Freundin Janet, während diese mit ihrem Vater streitet, macht sich Courtney Gedanken über die Qualität des Lammkoteletts), der mich sehr erfreut hat. 

Ja, "Cocktails" von Pamela Moore hat Ähnlichkeiten mit "Die Glasglocke" von Sylvia Plath, auch die Schicksale der beiden Autorinnen ähneln sich frappierend (Selbstmord in jungen Jahren), trotzdem schafft es "Cocktails" einen eigenen Ton für diese Coming-of-age-Geschichte anzuschlagen. Es ist also auf keinen Fall ausreichend, eines der beiden Werke zu lesen. 

Welch Glück, dass dieser Bestseller der der 50er und 60er Jahre wiederentdeckt wurde. Mein Faible für die Roaring Twenties erweitert sich nun also noch zur Jahrhundertmitte hin. 

"Es ist nicht weiter tragisch, Engel. Menschen wie du und ich und Janet - wir sind einfach nicht fähig zur Tragödie. Das war kein Epos voll heldenhafter Figuren und großer Gefühle. Es war keine Tragödie. Es war nur ein Kinderspiel, das an sein Ende gelangt ist."

2 Kommentare:

Ulrike hat gesagt…

Hi,

Danke für die Rezension! Stephie und ich lesen gerade Vile Bodies von Evelyn Waugh, das fällt auch in die 20er Jahre und ist auch nicht sehr bekannt.

Viele Grüße,
Ulrike

Marina hat gesagt…

Oh, stimmt! Evelyn Waugh hab ich letztens auch irgendwo entdeckt und meine Neugier wurde direkt geweckt. Mal sehen, ob ich von ihm demnächst mal ein Buch in den Händen halte.