Sonntag, 27. August 2017

Deutscher Buchpreis 2017 - Die Longlist #dbp17



It's the most wonderful time of the year! Seit dem 15. August steht sie fest: Die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2017. Wie immer hat die Buchwelt mit Spannung darauf gewartet, wie immer ist die Buchwelt nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Zu wenige Frauen, zu wenige Autoren/Autorinnen mit Migrationshintergrund, zu wenige kleine Verlage, immer dieselben Themen, zu viele Wiederholungsnominierten.
Ja, es sind auffällig wenige Frauen nominiert. Ja, die Longlist könnte sehr viel vielfältiger sein (warum "Ellbogen" von Fatma Aydemir und "Kukolka" von Lana Lux nicht auf der Liste stehen, verwundert mich auch ehrlich gesagt sehr). Hier ist aber der Deutsche Buchpreis nur ein Symptom, das deutsche Feuilleton beschränkt sich allgemein sehr gerne auf den weißen Mann, der intellektuell schreiben kann. Daran etwas zu ändern liegt auch an uns Lesern. Mehr Mut zur Nische und so!

Vorerst möchte ich mir aber die 20 Leseproben der Longlist-Titel genauer ansehen, weswegen ich mich wieder auf die Jagd nach dem Leseproben-Heft gemacht habe. Wie immer ist das in München ein schweres Unterfangen, aber am Ende wird immer alles gut, das Heftchen liegt nun bei mir und wurde bewaffnet mit Eis und Bleistift genauestens durchgearbeitet und mit einer hochprofessionellen Smiley-Skala  (🙂, 😐, ☹️) bewertet. Ich präsentiere voller Stolz und wie gewohnt mit einer Zusammenfassung der Leseprobe und einem Lieblingssatz (zusätzlich gibt es noch eine gif-Bewertung bei Twitter für alle Freunde der bewegten Bilder):

Nordbrezens Deutscher-Buchpreis-Longlist-Leseproben-Lese-Erfahrung


Lichter als der Tag von Mirko Bonné. Erschienen im Verlag Schöffling & Co.
Das Licht im Hamburger Hauptbahnhof glänzt so schön.
"Es schien zu warten, nicht bloß auf Reisende, die aus dem Zug stiegen und verblüfft waren von der Helligkeit, der Herrlichkeit, mit der die Hansestadt sie willkommen hieß; das Licht war eine Wohltat gerade für Einheimische wie ihn, die morgens vor dem Büro oder nach Feierabend über die Bahnsteige schlenderten, als wären sie Bahnangestellte in Zivil."
Weiterlesen? ☹️

Romeo oder Julia von Gerhard Falkner. Erschienen im Berlin Verlag.
Im Hotel verschwinden Schlüssel und schwarze Haare tauchen auf.
"Obwohl ich Kurt heiße, bin ich Schriftsteller."
Weiterlesen? 🙂 (Ich bin kurz davor, das Buch direkt sofort jetzt zu bestellen, weil ich sehr begeistert bin. Herrlich schräg und amüsant!)

Das Floss der Medusa von Franzobel. Erschienen im Paul Zsolnay Verlag
Schiffbrüchige werden gerettet, von deren Schicksal wir das schlimmste annehmen müssen.
"Was hatten die erlebt? Wir wissen es noch nicht, aber gemach, wir werden es erfahren."
Weiterlesen? 🙂

Schau mich an, wenn ich mit dir rede! von Monika Helfer. Erschienen im Jung und Jung Verlag.
Wenn doch nur die Coen-Brüder diese U-Bahn-Fahrt verfilmt hätten.
"Sag es! Sag, dass deine Mama, die jetzt nicht mehr deine Mama ist, dass die blöd ist, sag es! Sag es!"
Weiterlesen? ☹️

Das Jahr der Frauen von Christoph Höhtker. Erschienen im Weissbooks Verlag.
Um auf 12 Frauen im Jahr zu kommen, schreibt der Zwiebel-Mann einer Künstlerin.
"'Pro Monat werde ich versuchen, eine Frau zu verbrauchen. Wie hört sich das für Sie an?'
'Das ist ein durchaus ... ambitionierter Plan. Was versprechen Sie sich davon?'
'Absolut nichts.'"
Weiterlesen? ☹️


Schlafende Sonne von Thomas Lehr. Erschienen im Carl Hanser Verlag.
Die Sonne scheint, die Erde dreht sich und Absätze werden schmerzlich vermisst.
"Modellieren Sie den Raum so, dass er der psychologischen Metrik entspricht."
 Weiterlesen? ☹️

Kraft von Jonas Lüscher.  Erschienen im Verlag C.H. Beck.
Wenn man von Rumsfeld angestarrt wird, kann man nur schwer einen klaren Gedanken fassen.
"Warte nur, denkt sich Kraft am siebten Tag, an dem er, tatenlos unter solcher Beobachtung stehend, sich wieder einmal durch diese Aufmerksamkeit verlangenden Augen aus seinen leeren Gedanken gerissen sieht, dir zum Trotz werde ich nach einem europäischen Ton suchen."
Weiterlesen? 😐 (Da das Buch Gatsby sei Dank schon im Bücherregal steht, werde ich auf jeden Fall reinlesen. Ich glaube hier ist der Ausschnitt nicht besonders gut ausgewählt)

Die Hauptstadt von Robert Menasse. Erschienen im Suhrkamp Verlag. 
Ein Schwein macht Brüssel unsicher.
"Dann sind die Männer von der Entrümpelungsfirma gekommen, um alles Übrige wegzuschaffen, nicht nur was nicht niet- und nagelfest war, sondern auch die Nieten und Nägel, sie rissen heraus, zerlegten, transportierten ab, bis die Wohnung 'besenrein' war, wie man das nannte."
Weiterlesen? ☹️

Flugschnee von Birgit Müller-Wieland. Erschienen im Otto Müller Verlag.
Simon verschwindet und ein weißes Zimmer bleibt zurück.
"Vielleicht hatte es mit ihren Blicken zu tun, die im Kerzenlicht nach innen zu kippen schienen, vielleicht mit ihren langsamen Bewegungen, mit denen sie Kekse anrichteten oder den Schnee von den Schuhen klopften."
Weiterlesen? ☹️

Schreckliche Gewalten von Jakob Nolte. Erschienen im Verlag Matthes & Seitz Berlin. 
Als Mutter Honik eines Nachts aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich in ihrem Ehebette zu einem wölfischen Wesen verwandelt.
"Eines Nachts, als die Sonne gerade 564 Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Millionen Tonnen Helium fusionierte und ein Teil der dadurch freigesetzten Wärme 8 Minuten und 17 Sekunden später als Licht den Mond erreichte und dieser  Mond, der nicht wirklich ein Planet ist und nicht wirklich ein Stern, sondern ein Mond, voll erleuchtet am Himmel stand, erblickte ihn die Mutter von Iselin und Edvard Honik, war erfasst von seiner Sanftmut, verwandelte sich in ein wölfisches Wesen, biss ihrem Gatten den Nacken durch, zerfleischte Teile seines Oberkörpers und schlief wieder ein."
Weiterlesen? 🙂


Die Kieferninseln von Marion Poschmann. Erschienen im Suhrkamp Verlag
Wenn die eigene Frau einen vermeintlich betrügt, fliegt man als Bartexperte nach Japan.
"Das schwarze Haar Mathildas breitete sich neben ihm auf dem Kissen aus, Tentakel einer bösartigen, in Pech getauchten Meduse."
Weiterlesen? 😐

Nach Onkalo von Kerstin Preiwuß. Erschienen im Berlin Verlag.
Mutter ist tot, doch zum Glück hilft der Russe.
"Der Arzt ist eine Ärztin und jung obendrein."
Weiterlesen? ☹️

Phantome von Robert Prosser. Erschienen im Verlag Ullstein fünf.
Lass uns Graffiti sprayen in Wien mit dem Kopf im Osten.
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Mein Wort ist auf jeden Fall tausend Bilder wert."
Weiterlesen? 😐 (Da ich aber die Bücher von Ullstein fünf sehr großartig finde, wird hier auch noch ein längerer Blick riskiert)

Wiener Straße von Sven Regener. Erschienen im Verlag Galiani Berlin.
Kaffeemaschinen sind die neuen neuen Endgegner der Menschheit.
"'Klar ist das Kunst, was denn sonst?'
'Für mich sieht das nach Basteln aus!'"
Weiterlesen? 😐

Außer sich von Sasha Marianna Salzmann. Erschienen im Suhrkamp Verlag.
Mit viel Gepäck in Koffern und im Kopf reist die Familie weg.
"Papa nickt eifrig und guckt gar nicht hin, aber küsst Mama im Vorbeigehen, seine Hände schwitzen, wenn seine Hände schwitzen, heißt das, dass er glücklich ist."
Weiterlesen? 😐 (Anmerkung: Ich habe das Buch bereits gelesen, musste aber dann nach knapp 200 Seiten abbrechen, weil ich komplett nichts verstand. Und ich wollte es wirklich verstehen)


Peter Holtz von Ingo Schulze. Erschienen im S. Fischer Verlag.
Der Bub schnabuliert Eisbein und Fassbrause, bezahlt dafür aber aus sehr guten Gründen nicht.
"Erstes Kapitel – In dem Peter ohne einen Pfennig in der Tasche eine Gaststätte aufsucht und erklärt, warum er das für richtig hält. Überlegungen zum Stellenwert des Geldes im Sozialismus."
Weiterlesen? 🙂

Das Singen der Sirenen von Michael Wildenhain. Erschienen im Klett-Cotta Verlag. 
Den Weg zu einer unbekannten Wohnung zu finden, ist nicht immer leicht, insbesondere, wenn man nicht vor Frauen schwitzen will.
"Während die Buchstaben ihre verfügte Form verlieren, die Schrift sich im flachen Wasser der kaum bewegten Pfütze langsam anfängt aufzulösen, hält er den Blick am Boden."
Weiterlesen? ☹️

Walter Nowak bleibt liegen von Julia Wolf. Erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt. 
Walter Nowak denkt nach.
"Ich muss nur einen Moment mal hier liegen. Einfach nur hier liegen, auf den kühlen Fliesen, und die Decke anstarren. Das ist doch, in Ordnung. Daumen hoch."
Weiterlesen? 🙂🙂🙂 (Denn das Buch habe ich bereits gelesen und wünsche mir gar sehr, dass es gewinnt)

Katie von Christine Wunnicke. Erschienen im Berenberg Verlag. 
Zwei Wissenschaftler unterhalten sich sehr wissenschaftlich. Oder auch nicht.
"Professor Faraday hatte die Sonne gewiss verdient, nach all seinen Diensten für die Krone und für die ganze Welt."
Weiterlesen? 😐 (Vor der Longlist schlich ich schon häufiger um dieses Buch herum. Jetzt bin ich mir nicht mehr ganz so sicher)

Evangelio von Feridun Zaimoglu. Erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Früher war nicht alles besser, es klang nur schöner.
"Ich bin am Verrichten, ich reiß mich los von ihrem Hohn. Was der Pöbel plaudert, beißt ein, ihr Wort beißt ein, ich darf's nicht achten."
Weiterlesen? 😐


Um einmal in die Rolle von Volker Weidermann zu schlüpfen:
Das Endergebnis sieht entsprechen so aus – 🙂 = 5, 😐 = 7, ☹️ = 8.

Die meisten der nominierten Bücher sagen mir nicht unbedingt zu. Das macht es auch einfacher eine persönliche Shortlist zu erstellen, die folgendermaßen aussehen würde:
- Romeo oder Julia von Gerhard Falkner
- Das Floss der Medusa von Franzobel
- Kraft von Jonas Lüscher
- Schreckliche Gewalten von Jakob Nolte
- Peter Holtz von Ingo Schulze
- Walter Nowak bleibt liegen von Julia Wolf

Mein Gewinner des Herzens ist "Walter Nowak bleibt liegen". Mit viel Konfettiregen für den Verlag.

Am 12. September wird die offizielle Shortlist veröffentlicht, am 09. Oktober der Sieger gekürt. Ich bin gespannt und harre der Dinge, die da kommen werden.

Wie sieht eure Meinung zur Longlist aus? Gibt es schon Favoriten? Empfehlungen?


Das Archiv:
Die Longlist 2016Die Shortlist 2016
Die Longlist 2015Die Shortlist 2015
Die Longlist 2014Die Shortlist 2014

Samstag, 19. August 2017

Kukolka von Lana Lux.


Originalausgabe - Erschienen im Aufbau Verlag - 2017 - Vielen herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar! 

Ukraine, 90er Jahre. Große Party der Freiheit. Manche tanzen und fressen oben auf dem Trümmerhaufen der Sowjetunion, andere versuchen noch, ihn zu erklimmen. Auch Samira. Mit sieben Jahren macht sie sich auf die Suche nach Freiheit und Wohlstand. Während teure Autos die Straßen schmücken, lebt Samira mit ein paar anderen Kids in einem Haus, wo es keinen Strom, kein warmes Wasser und kein Klo gibt. Aber es geht ihr bestens. Sie hat ein eigenes Sofa zum Schlafen und eine fast erwachsene Freundin, die ihr alles beibringt. Außerdem hat sie einen Job, und den macht sie gut: betteln. Niemand kann diesem schönen Kind widerstehen, auch Rocky nicht. Er nennt sie Kukolka, Püppchen. Wenn Kukolka ihn lange genug massiert, gibt er ihr sogar Schokolade. Alles scheint perfekt zu sein. Doch Samira hält an ihrem Traum von Deutschland fest. Und ihr Traum wird in Erfüllung gehen, komme, was wolle. 

Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich die Rezension zu einem Buch nicht direkt nach dem Lesen geschrieben habe. Schon vor 3 Monate habe ich "Kukolka" von Lana Lux gelesen und hätte danach wohl nur Ausrufezeichen und aufgeregte gifs hier einbauen können. Obwohl. Moment. Warum eigentlich nicht?


via GIPHY

Auch jetzt nach 3 Monaten ist es schwierig in Worte zu fassen, was "Kukolka" so anziehend macht. Denn die Ausgangslage ist alles anderes als sympathisch. Samira ist Waise und lebt in einem Kinderheim in der Ukraine. Ihre beste Freundin wird von einem deutschen Ehepaar adoptiert und ab diesem Zeitpunkt gibt es für Samira nur noch einen Traum: Deutschland. Eines Tages wird sie dort leben. Komme, was wolle. Und es kommt so einiges. Samira läuft weg und lebt von nun an auf der Straße, schließt sich einer Kinder-Bettel-Gruppe an, lernt dort das kleine 1x1 des Stehlens und Bettelns und darf schmierigen Anführer Rocky zu schmierigen Partys begleiten. Denn Samira ist eine Schönheit – Für Rocky eine Kapitalanlage. Und so wird Samira zu Kukolka, einem Püppchen, das man schön anzieht und seinen reichen Freunden zeigt und ihnen zum spielen überlässt.

"Liebe ist Vertrauen. Das habe ich mal auf einer Werbung für Kondome gelesen." (Seite 308f.)

Die Kaltblütigkeit (und ich meine das im besten Sinne des Wortes), mit der Lana Lux das Leben eines Straßenmädchens beschreibt, macht diese Geschichte so einzigartig. Es gibt nichts Gutes, nichts Schönes im Leben von Samira, das weiß sie selbst. Und so macht sie sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Eine Barbiepuppe wird zum Heiligtum. Die Hausarbeit zur tröstenden Konstante. Und wenn man eine Nacht nicht zusammen mit Rocky auf der Matratze schlafen muss, ist das ein Freudenfest.

Lana Lux gelingt es, dieses Leid nicht zu verkitschen, nicht eine anrührende Geschichte zu erzählen, die den Leser betroffen macht und nach dem Ende des Buches wischt man sich die Träne aus dem Gesicht und geht in die Küche um Kartoffelpüree zu kochen. Nein. "Kukolka" bleibt wie Samira steif, neutral und nimmt die Dinge, wie sie sind. Ohne die rosarote Brille. Was den Kontrast zum sehr überzogenen Cover noch viel großartiger macht. Überhaupt. Dieses Cover. Diese Buchgestaltung! Kann ich bitte ein Poster mit dem gruseligen Blick des puppenhaften Mädchens haben?

"Kukolka" ist keine einfach Lektüre, fordert den Leser heraus und ist gerade deswegen ein vorzügliches Vergnügen. Bitte mehr davon Frau Lux! 

Sonntag, 6. August 2017

Neu im Bücherregal - Die Juli-Bücher 2017


Haltet euch an eurem Kissen oder Smartphone fest, setzt euch lieber und holt nochmal tief Luft: Was Herr Dachs sagt, ist die Wahrheit. Ich habe im Juli kein Buch gekauft, kein Buch geschenkt bekommen, kein Rezensionsexemplar erhalten oder irgendwie sonst ein buchiges Etwas bei mir einziehen lassen. Keins. Kein einziges! 

Wie kam es dazu?

Eine richtige Erklärung habe ich nicht. Vielleicht mangelte es mir an Möglichkeiten. Wenn man eine Woche in Marokko ist, kann man schon mal eine Woche lang keine Bücher kaufen. Davor und danach scheint nie die richtige Gelegenheit gekommen zu sein, um neue Bücher zu erwerben. Und in der letzten Woche des Julis hat mich dann der Ehrgeiz gepackt. Schaffe ich einen Monat ohne Bücherkauf? 

Wie man sieht – ich habe es geschafft. Gut, dafür sind bereits in der ersten Woche des Augustes drei neue Bücher bei mir eingezogen, aber davon soll an dieser Stelle noch nicht die Rede sein. 

Eine spontane Verlängerung des buchkauflosen Monats wird es dementsprechend nicht geben. Dafür ist meine Merkliste viel zu lang und in den verschiedensten Buchhandlungen weinen die Bücher bestimmt schon, weil sie sich meine Aufmerksamkeit wünschen. Oder so ähnlich.

Deswegen auch gleich die Frage: Habt ihr euch im Juli ein Buch gekauft, welches ich mir unbedingt näher angucken sollte? Und habt ihr auch manchmal Phasen, in denen der Bücherkauf nebensächlich wird? 

Freitag, 4. August 2017

Vier Bücher für ... Feminismus Level 1.

"Feminismus, der: eine Ideologie und gesellschaftliche Bewegung, die die Gleichberechtigung der Frau in allen Lebensbereichen und eine Veränderung der gesellschaftlichen Rollen von Frauen anstrebt." 

So sagt es Google, so wird es wohl sein. Auch ohne Emma-Abo und verbrannten BHs ist es doch so, dass mir doch immer wieder Merkwürdigkeiten auffallen. Und dafür muss ich nicht weit gucken, mein Arbeitsumfeld reicht dafür schon – wie kann es sein, dass in der Buchbranche 80 % der Beschäftigten weiblich sind, aber nur 34 % der leitenden Postionen von Frauen besetzt sind (Quelle: Bücherfrauen)? Ganz praktisches Beispiel: In meinem Studienjahrgang waren ungefähr vier männliche Studenten bei einer Studiengruppe von ungefähr 40 Studierenden. Das heißt, diese vier Kommilitonen werden mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit mal meine Vorgesetzten. Weil sie – im Gegensatz zu mir – einen Penis haben. Irgendwie ein komischer Grund.

Für alle Frauen (und Männer), denen solche Merkwürdigkeiten auch schon mal aufgefallen sind, das aber nicht wirklich richtig benennen können, gibt es nun einen Einstiegskurs ins feministische Denken. DEN einen wahren Feminismus gibt es nämlich nicht. Überraschung! Deswegen hier nun vier sehr subjektive Empfehlungen für feministische Bücher. Über noch mehr Tipps, Meinungen und Anregungen freue ich mich gar sehr! 



Wenn Männer mir die Welt erklären von Rebecca Solnit
Wenn mir Bücher (in diesem Fall "Untenrum frei", siehe zwei Plätze weiter unten) andere Bücher empfehlen, dann ist das schon sehr nett. In diesem Fall ist es auch ein echter Glücksgriff, denn die Essays von Rebecca Solnit beschäftigen sich mit unterschiedlichsten Aspekten des Frau-seins in einer patriarchischen Welt. Allein der erste Text lässt einen mit Kopfschütteln zurück. Und nach der Lektüre möchte man unbedingt wieder mehr von Virginia Woolf lesen. Ein ewiger Lesekreis des Lebens!   
Originaltitel: Men Explain Things to Me - Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Razum und Bettina Münch - Erschienen bei btb - 2017
Der Report der Magd von Margaret Atwood
"Ach, ist doch alles nicht so wild. Wird schon seine Gründe haben, warum Frauen nicht im Aufsichtsrat von BMW sitzen. Und wenn Mama daheim bleibt, geht den Kindern eh einfach am besten. Weiß man doch! Hat doch bisher auch alles super funktioniert!"
Wohin dieses Denken führen kann, erzählt Margaret Atwood in "Der Report der Magd" eindrucksvoll und beängstigend realistisch. 
Originaltitel: The Handmaid's Tale - Aus dem kanadischen Englisch von Helga Pfetsch - Erschienen im Piper Verlag - 2017
Untenrum frei von Margarete Stokowski
Nach "Weil ein Aufschrei nicht reicht" von Anne Wizorek mein zweites modernes Feminismus-Sachbuch, wobei mir dieses hier ein klein wenig besser gefällt. Wahrscheinlich, weil es weniger ein Sachbuch als ein persönlicher Leitfaden in den Feminismus ist. Was ich daraus mitnehme: Jeder kann Penisse malen, aber niemand eine erkennbare Vulva (im Selbstversuch getestet!), Feminismus sollte nicht als neuer heißer Scheiß betrachtet werden, mit dem man Follower bei Instagram sammeln kann und "wir können untenrum nicht frei sein, wenn wir obenrum nicht frei sind. Und andersrum." (Seite 7). 
Originalausgabe - Erschienen im Rowohlt Verlag - 2016
The Power von Naomi Alderman
Eigentlich wollte ich in diese Liste nur Bücher aufnehmen, die ich bereits gelesen habe. Aber bei "The Power" muss ich eine Ausnahme machen, weil mich alleine Karla Pauls kurze Vorstellung bei Instagram Stories so neugierig gemacht hat, dass ich das Buch direkt bestellt habe. Um was gehts also? Eines Tages stellen alle Frauen fest, dass sie THE POWER haben. Was auch immer das sein mag, es sorgt dafür, dass die Männer plötzlich richtig Angst haben ... und die Kontrolle verlieren. Klingt nicht gerade nach Gleichberechtigung, ich werde aber nach meiner Lektüre noch einmal darüber berichten, ob das Buch hier richtig steht oder nicht. 
Originalausgabe - Erschienen bei Penguin - 2017