Originalausgabe - Erschienen bei Ullstein fünf - 2018 - Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar
Marlene Beckmann ist 31 Jahre alt und lebt das Leben, das sie sich gewünscht hat. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet sie reflexartig: "Super, un dir?" Tatsächlich fühlt sich aber gar nichts super an. Doch sie wahrt den Schein. Bis sie ihren ersten richtigen Job antritt. Bis sie vor lauter Überstunden kein Privatleben mehr hat. Bis der Druck schließlich größer wird als sie ...
Die Bücher von Kathrin Weßling sind irgendwie wie Helium. Man freut sich davor diebisch, dass man gleich was verrücktes macht, dann inhaliert man sie viel zu schnell, lacht und weint und freut sich sehr und nach viel zu kurzer Zeit ist der Spaß dann auch wieder vorbei.
Schon bei der ersten Ankündigung zu "Super, und dir?" musste ich freudig die Hände in die Höhe werfen, gehört doch Kathrin Weßling zu meinen liebsten Internet-Menschen, so gerne sehe ich ihr bei Instagram beim Leben zu.
Und nun also "Super, und dir?". Obwohl bereits Anfang April erschienen und obwohl bereits Buch-Blogger wie Mareike von Herzpotenzial positiv berichteten, habe ich es doch erst jetzt geschafft, das Buch zu lesen. Und wie schon zu vermuten war, war es ein viel zu kurzes Vergnügen. Nach knapp vier Stunden schlug ich das Buch zu und dachte nur: "Kann am Ende bitte alles super sein, geht das bitte? Nein? Ich will das aber. Sehr."
"Man sieht nicht, wie das Mädchen ertrinkt, ganz im Gegenteil. Es reitet die Wellen, während der Sturm aufzieht, und es lächelt, es winkt den anderen zu, schon viel zu weit vom Strand entfernt, Wasser in den Lungen, Wasser im Kopf, und ruft: Alles in Ordnung, es geht mir sehr, sehr gut!" (Seite 20)
Marlene Beckmann ist also 31, Volontärin als Community Manager in einer angesagten Firma, die Zeugs verkauft, welches niemand braucht und doch ganz dringend benötigt. Sie arbeitet mit Influencern zusammen, versucht Kampagnen zu pitchen und wer noch mehr Buzzwords braucht, der findet sie auch. Marlene, das sind irgendwie wir. Marlene legt sich ins Zeug, Marlene will was schaffen, Marlene übersieht dabei, dass ihr Privatleben auf der Strecke bleibt und was nicht mithalten kann, das wird zurückgelassen oder schöngeredet oder im Drogenrausch versenkt. Marlene, das sind wir irgendwie natürlich nicht. Wir würden selbstverständlich vorher die Reißleine ziehen, die Alarmsirenen hören, auf uns achten.
Aber würden wir das?
Kathrin Weßling beschreibt in "Super, und dir?" sehr anschaulich, wie aus einem ganz normalen Leben mit ganz normalen Vorstellungen und Wünschen ganz schnell ein Leben am Abgrund werden kann. Wie sehr man sich verstellen kann, wie wenig offensichtlich offensichtliche Probleme sein können. Wie schnell man den Kontakt zum Boden verliert, wie schnell man sich viel zu viel aufreibt für Job, Ansehen, Likes und vermeintliche Liebe. Und damit entsteht ein Sittenporträt einer Generation, von der man sich eigentlich am liebsten abgrenzen will. Aber wir gehören alle irgendwie dazu, wir spielen alle das Spiel mit und hoffen, dass es am Ende gut ausgeht. Am Ende soll bitte alles super sein, oder?
"Irgendwo im Atlantik schwimmt gerade eine Wal-Familie, und es ist ihr so was von scheißegal, wie traurig und erbärmlich dein Leben ist." (Seite 191)
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