Ich habe lange suchen müssen, bis ich endlich dann doch das Leseproben-Buch zur Longlist des
Deutschen Buchpreises 2014 gefunden habe. Anscheinend mag Buchladen 1 den Deutschen Buchpreis nicht, es gab noch nicht mal einen Tisch dafür (dafür bietet sich das doch so an! Früher mochte ich sowas, da war es einfach, einen Tisch zu dekorieren. Man hatte ein Thema! Bei Hugendubel habe ich dafür einen anderen Tisch gesehen, dessen Thema war wohl "Bücher mit weißem Cover und Schrift drauf" -mehr Gemeinsamkeiten hatten die Bücher nämlich nicht. Verwirrend), bei Buchladen 2 gab es einen Buchpreis-Tisch, aber auf den ersten Blick kein Lesebuch. Bis ich nochmal genauer hingesehen habe. Es gab noch ein Exemplar und ja, dieses eine Exemplar ist jetzt mein Exemplar (hier fieses Lachen einbauen). Und gestern Abend habe ich mich hingesetzt, mit einem Stift bewaffnet, und mir jede Leseprobe der zwanzig Longlist-Titel durchgelesen, Sätze unterstrichen und mit Smileys mein Urteil verewigt. Deswegen jetzt nun hier:
Nordbrezens Deutscher-Buchpreis-Longlist-Leseproben-Lese-Erfahrung
Ich versuche den Inhalt in einem Satz wiederzugeben durch das, was ich in der Leseprobe gelesen habe. Keine Ahnung, ob das dann stimmt. Außerdem habe ich mir immer einen Satz/Abschnitt aus der Leseprobe herausgesucht, den ich besonders ansprechend fand. Als Beurteilung gibt es eine Antwort auf die Frage, ob ich weiterlesen möchte.
Koala von Lukas Bärfuss. Erschienen im Wallstein-Verlag.
Bruder begeht Selbstmord und Bärfuss will verstehen, was für ein Mensch sein Bruder überhaupt war.
Als erster Mensch schien sie ein Verständnis für jenes ungeheuerliches Komma aufzubringen, das in einer seiner Erzählungen einen ganz gewöhnlichen Satz während einer Versöhnungsszene zwischen Vater und Tochter in die Beschreibung der masturbierenden Mutter verwandelt, die diesem Moment von den beiden unbemerkt beiwohnt.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (Ich mag ja das Cover total und will diesen Satz mit dem Komma lesen!).
Sieben Sprünge vom Rand der Welt von Ulrike Drasner.
Erschienen im Luchterhand Literaturverlag.
Eine Tochter berichtet von ihrem alten (verwirrten?) Vater, ihren Ängsten und wie das alles zusammengehört.
Gegen Hitzeattacken, die ich nicht hatte, hätten Pillen geholfen, doch Pillen gegen Angst vor Regen oder Schnee, gegen Angst vor Laserstrahlen, gegen ein Leben auf Abruf gab es nicht.
Weiterlesen? Nein (klang für mich relativ belanglos).
Das Polykrates-Syndrom von Antonio Fian. Erschienen im Literaturverlag Droschl.
Ein Sohn besucht seine Mutter im Altenheim und darf sich von ihr allerlei Gemeinheiten anhören (aber er kann da auch gut mitspielen)
Obwohl es schon Jahre her war, dass das Kühllagerhaus abgerissen und an seiner Stelle das Sonnenheim errichtet worden war, hatte die Straßenbahnstation noch lange danach so geheißen, vermutlich weil es einige Zeit gedauert hatte, bis sich bei den zuständigen Beamten herumgesprochen hatte, dass es keine besonderes glückliche Lösung war, wenn man,um zu einem Seniorenheim zu kommen, an der Station Kühllagerhaus aussteigen musste.
Weiterlesen? Ja, unbedingt! Ich habe mich über die Leseprobe schon sehr amüsiert, ich mag den Schreibstil.
Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr von Franz Friedrich.
Erschienen im S. Fischer Verlag.
Ein Student sieht sich einen alten Dokumentarfilm über Vögel auf einer finnischen (!!!) Insel an (und zerstört dabei anscheinend die Filmrolle)
Kleine Vögel flatterten durch das Laub, es waren die Lapplandmeisen, denen Susanne Sendler ihren Film gewidmet hatte, und ihr Flügelschlagen vereinte sich zu einem Geräusch, das so laut war wie ein tosender Applaus. Nur eines fehlte, da war kein Gesang, die Meisen schwiegen.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (Warum schweigen die Meisen? Wer ist denn diese Susanne Sendler und ist der Film jetzt wirklich kaputt?)
Eine Königin? Was ist das? Eine Märchengestalt, denken wir, und doch: dieser hier pulste das Leben am Hals und flackerte über die Wangen, hier, in der schwülen Enge der Bäume, eng um die junge Frau herumgelegt, wie jenes Wort, sie zu bezeichnen.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (anscheinend geht es um eine Insel, in der Nähe von Berlin und ich dachte irgendwie nicht, dass das ein historisches Buch ist und jetzt bin ich verwirrt und würde das gerne herausfinden).
Am Fluss von Esther Kinsky.
Erschienen im Verlag Matthes & Seitz Berlin.
Beobachtungen in London. In einem Park. In einer Straße. Anscheinend irgendwann auch mal an einem Fluss, wenn ich dem Titel glauben darf.
Wir, die Dinge und ich, hatten das alte Haus an einem frühen blauen Morgen verlassen, als der Augustmond noch am helldunstigen Spätsommerhimmel stand, und lungerten nun hier im Osten Londons, mit Ausblick auf den Winter.
Weiterlesen? Nein (hat mich nicht gepackt).
April von Angelika Klüssendorf.
Erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Eine junge Frau zieht bei einer alten Frau ein, weil ihr nach dem Heimaufenthalt dieses Zimmer zugewiesen wurde und versucht ein neues Leben zu beginnen.
Sie mischt sich unter die Menschen, die auf einen großen Flachbau zulaufen, "VEB Kombinat Starkstromanalagenbau Leipzig - alle" steht in Leuchtschrift über der Eingangstür. Eigentlich sollte es "Halle" heißen, aber der Buchstabe H ist nicht erleuchtet. Aus irgendeinem Grund freut sie das, genau genommen hat sie wenig Lust auf ihre neue Arbeit.
Weiterlesen? Nein (es klingt zwar irgendwie nett, aber ich weiß nicht so genau).
Zwei Herren am Strand von Michael Köhlmeier.
Erschienen im Hanser Verlag.
Winston Churchill und Charlie Chaplin sind Freunde und gehen spazieren.
Erst als Chaplin, die Hände zu einem Trichter an den Mund gelegt, so laut er konnte - er konnte nicht laut -, durch den Türschlitz, in dem sein Knie klemmte, rief: "Winston, Winston, ich bin es, Charlie. Ich bin da Winston. Ich bin gekommen!", und Churchill, dessen Zimmer sich glücklicherweise im Parterre befand, seinerseits, so laut er konnte - auch er konnte in diesen Tagen nicht laut -, zurückrief - "Glas tidings you bring!" -, ließ man ihn eintreten.
Weiterlesen? Nee. Nee. Den Text fand ich wirklich gar nicht interessant.
Kleine Kasse von Martin Lechner.
Erschienen im Residenz Verlag.
Ein Mann rennt mit einem Koffer über eine Wiese und wird zu spät zu einem Termin kommen.
Auch wenn es falsch war, falsch, nichts als falsch, rannte er mit dem Koffer die Böschung hinab.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (auf jeden Fall macht es neugierig. Vor was läuft der Mann weg und was ist in dem Koffer?)
Panischer Frühling von Gertrud Leutenegger.
Erschienen im Suhrkamp Verlag.
London. Am Fluss.
Die Sphinxe träumten mit offenen Augen, ihre Blicke gingen die Themse hinauf und hinab, aber sie hatten das Chaos der schwankenden Segler und Schiffe mit ihren exotischen Frachten nicht mehr gesehen. Schon vor ihrer Ankunft hatten die East und West India Docks im Osten der Stadt ihren Betrieb aufgenommen, und tief in der Vergangenheit war jenes Britannien versunken,das einst ganz von gewaltigen Eichenwäldern bedeckt gewesen war.
Weiterlesen? Nee (ich dachte erst, das wäre aus Am Fluss von Esther Kinsky ... irgendwie ähnelt sich das schon sehr stark).
Kastelau von Charles Lewinsky.
Erschienen im Verlag Nagel & Kimche.
Das Leben eines Mannes, der anscheinend irgendwas mit Filmen zu tun hat, wird anhand seiner persönlichen Papiere und Aufzeichnungen nacherzählt.
Er bedauerte die Absage und wünschte mir viel Glück. In einem der alten Filme, die ich so liebe, wäre in diesem Moment das Wort ENDE eingeblendet worden.
Weiterlesen? Nein (schon die Leseprobe hat mich sehr verwirrt, weil ich nicht verstanden habe, welcher Teil was ist).
3000 Euro von Thomas Melle.
Erschienen im Verlag Rowohlt Berlin.
Ein Obdachloser erwacht und eine Mutter bringt ihre Tochter zur Ergotherapie
Das ist eine Disziplin, in der Anton es zu einer Art Meisterschaft gebracht hat: den Schlaf verlängern, das Dämmern ausdehnen, den Traum stauchen und modulieren. Die Konsistenz des Schlafes willentlich verändern, das Bewusstsein verdünnen: Man ist da, aber unscharf, ganz tief unten, als tierische Präsenz, kein Gewahrwerden, nur Schemen um eine unbewusste Mitte.
Weiterlesen? Ja! Auf jeden Fall (was haben diese beiden Menschen miteinander zu tun? Und anscheinend ist der Obdachlose erst seit kurzem auf der Straße. Warum? Oh weh! Ich will das wissen!)
Unternehmer von Matthias Nawrat.
Erschienen im Rowohlt Verlag.
Aus irgendeinem Grund nehmen Vater, Tochter und Sohn Maschinen auseinander.
Die Frau an der Tankstellenkasse in Schönau fragt uns, ob wir die Kinder von Elmar Rehm sind, aus Utzenfeld. Und warum Berti ein Arm fehlt. Und ob wir nicht in der Schule sein sollten.
Mein Arm fehlt, weil ein Unternehmen seine Opfer fordert, sagt Berti. Und in der Schule lernt man nichts, was fürs echte Leben taugt.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (der Zusatztext erwähnt eine "Endzeitwelt" und irgendwie klingt das schon sehr nett).
Das Sandkorn von Christoph Poschenrieder.
Erschienen im Diogenes Verlag.
Ein Mann läuft durch Berlin und verstreut Sand, wird dann von der Polizei festgenommen und soll erklären, warum er durch Berlin läuft und Sand verstreut.
Es ist nicht immer der gleiche Sand, das kann man sehen. Mal ist er heller, mal ist er dunkler. Ein roter ist dabei. Viele gelbe. Einer glitzert. Jede Stelle, an der der Mann Sand ausgestreut hat, wird anschließend genau untersucht. Man diskutiert und mutmaßt.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (könnte ganz interessant sein).
Kruso von Lutz Seiler.
Erschienen im Suhrkamp Verlag.
Drei Männer schließen Blutsfreundschaft.
Vollkommen nichtig war in diesem Augenblick der Gedanke, wie gut er es in der Regel vermochte, freihändig eine Linie zu ziehen, "Gerade so, als hättest du ein Lineal benutzt, Edgar!", hatte seine Mutter öfter ausgerufen, voller Lob, aber auf Haut war es anders. Haut gab nach, Haut wich aus.
Weiterlesen? Ja (ich kann an dieser Stelle verraten, dass ich zufälligerweise dieses Buch vor einiger Zeit von Suhrkamp erhalten habe und demnächst mit dem Lesen beginnen werde).
Vor dem Fest von Saša Stanišić.
Erschienen im Luchterhand Literaturverlag.
Ein Dorf, seine Bewohner und die Geschichte dieser Dinge.
Wir sind traurig. Wir haben keinen Fährmann mehr. Der Fährmann ist tot. Zwei Seen, kein Fährmann. Zu den Inseln gelangst du jetzt, wenn du ein Boot hast. Oder wenn du ein Boot bist. Oder du schwimmst. Aber schwimm mal, wenn die Eisbrocken in den Wellen klacken wie ein Windspiel mit tausend Stäben.
Weiterlesen? Ja, unbedingt (der Text war so gut! Ich will das jetzt gleich haben und außerdem reicht der kleine Ausschnitt nicht dafür, die Großartigkeit des Textes zu zeigen. Lest die Leseprobe!)
Der Allesforscher von Heinrich Steinfest.
Erschienen im Piper Verlag.
Ein Laster transportiert einen Wal durch die Stadt. Oha!
Als nun die Musik endet (beziehungsweise zum biederen Gedudel einer Mundharmonika übergeht), wechselt die Kamera zu einer fröhlichen Gruppe junger Menschen, die spätabends am Strand sitzen und feiern - und wir fragen uns sofort, wer von denen jetzt so blöd sein wird und Steven Spielberg den Gefallen tut, im Meer schwimmen zu gehen.
Weiterlesen? Ja! Ja! Ja! Deswegen schummle ich auch und zitiere noch einen weiteren Ausschnitt aus der Leseprobe. Weil es so toll ist.
Das Ende des Vorspanns gleicht dem Tod. Danach kommt das Leben. Aber es ist eben ein gewesenes.
Nachkommen. von Marlene Streeruwitz.
Erschienen im S. Fischer Verlag.
Opa stirbt und seine Enkeltochter geht zur Beerdigung.
Dieses Mal. Sie wollte alles richtig machen. Sie wollte normal sein. Nicht auffallen. Ihren Platz einnehmen. Dazugehören.
Weiterlesen? Nee. Erstens sagt der Zusatztext, dass es um eine Schriftstellerin geht, die für ihren Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert ist und diese Geschichte kenne ich schon von Thomas Glavinic und niemand toppt Thomas Glavinic und zweitens finde ich diese kurzen Sätze furchtbar anstrengend.
Isabel von Feridun Zaimoglu.
Erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Nach der Trennung von ihrem Freund kehrt Isabel in die ehemals gemeinsame Wohnung zurück, um Dinge zu zerstören. Oder auch nicht.
Ratten fraßen Ratten, Liebe ging zu Ende, Liebende lagen wie glühende Leichname nebeneinander.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (wobei ich gerade nicht mehr so sicher bin).
Der aufblasbare Kaiser von Michael Ziegelwagner.
Erschienen im Verlag Rowohlt Berlin.
Was passiert, wenn man in der Badewanne ausrutscht und stürzt?
Mit Kopfschmerzen konnte sie umgehen. Ihr war, als würde der Kopf dabei kompakt, zusammengepresst, die einzelnen Gedanken liefen eng nebeneinander durch die Hirnwindungen, die Gedankenwege wurden kürzer in einem kleinen, zusammengepressten Gehirn.
Weiterlesen? Ja, vielleicht (die Situation ist schon arg absurd, das könnte ganz nett sein).