Mittwoch, 11. Mai 2016

Die Knochenuhren von David Mitchell.


Originaltitel: The Bone Clocks - Aus dem Englischen von Volker Oldenburg - Erschienen im Rowohlt Verlag - 2016 - Vielen herzlichen Dank für das Leseexemplar!

Eine harmlose junge Frau aus dem Süden Englands wird zum Spielball dunkler Mächte im Kampf um ewiges Leben. Aber vielleicht ist sie auch, ohne es zu ahnen, deren schärfste Waffe ...
Davids Mitchells neuer Roman ist wild und einfallsreich, dramatisch und verspielt wie die Phantastik Stephen Kings und Haruki Murakamis, aber mit einem ganz eigenen , überbordenden Sound: ein globetrottendes, bewusstseinsveränderndes, sagenhaftes Lesevergnügen.

Es war einmal ein fröhliches Team, das wollte eine fröhliche Team-Leserunde veranstalten. Sehr lange überlegte man hin und her und vor und zurück, welches Buch man denn gemeinsam lesen sollte. Irgendwann fiel dann sehr spontan die Entscheidung: „Die Knochenuhren“ von David Mitchell sollten es werden. Das backsteingewordene Buch mit 808 Seiten schreckte auf den ersten Blick niemanden ab, denn das Cover ist schon arg schick. Und ich als David-Mitchell-Nichtkenner hatte anfangs auch keine besonderen Erwartungen an das Buch. Kurz vor der Lektüre habe ich „Der Wolkenatlas“ gesehen und fand den Film arg schrecklich. Aber davon wollte ich mich nicht abschrecken lassen.

Was dann passierte, konnte niemand ahnen! (Clickbaiting!)


"Wenn ein Mann oft genug in dir drin war, dauert's wahrscheinlich eine Weile, bis du ihn wieder los bist. Die Liebe ist pures Gratisvergnügen, wenn sie funktioniert. Wenn sie kaputtgeht, zahlst du für die tolle Zeit Wucherzinsen." (S. 57)

Insgesamt gliedert sich das Buch in fünf größere Abschnitte und erzählt – ganz grob gesagt – das Leben von Holly Sykes, wobei diese in einigen Abschnitten nur eine Randfigur darstellt. Zu Beginn ist Holly 15 Jahre alt, pubertär und schwer verliebt. Leider muss sie sehr schnell feststellen, dass die große Liebe wohl noch auf sich warten lässt, denn ihr Freund betrügt sie mit ihrer besten Freundin. Zudem gibt es Familienkrach, Holly läuft von zu Hause weg. Doch was wie eine tragische Familiengeschichte klingt, wird sehr bald ein mysteriöser Fantasyroman, denn Holly wird in einen eigenartigen Kampf verwickelt, in dem es um Horologen, eine Kapelle und ein Buch geht. Doch daran kann sie sich nach dem Kampf nicht mehr erinnern. Stattdessen kehrt sie auf Umwegen nach Hause zurück, denn ihr kleiner Bruder Jacko wird urplötzlich vermisst und taucht auch nie wieder auf.

Horologen? Was soll das denn sein? Der nächste Abschnitt bringt keine Aufklärung, stattdessen lernen wir Hugo Lamb kennen, Holly ist nicht in Sichtweite, deswegen dürfen wir uns ganz alleine mit dem arroganten Studenten herumschlagen. Erst ganz zum Schluss fällt dem Autor ein, dass Holly ja doch auch noch wichtig ist, weswegen sich Hugo spontan in Holly verliebt, die jetzt als Kellnerin in einer Ski-Bar arbeitet.

Doch auch mit Hugo dürfen wir uns nicht länger beschäftigen, wir lernen nun nach einem weiteren Zeitsprung Hollys Mann Ed kennen, der Kriegsberichterstatter im Irak ist und gerade Heimaturlaub macht. Zu diesem Zeitpunkt bemerke ich langsam, dass ich mit Mitchells Art der Sprünge nicht klar komme. Ständig werden andere Personen in den Fokus gesetzt, nie weiß man, wo man eigentlich gerade ist und was das alles mit dem großen Ganzen zu tun hat. Und wer oder was waren nochmal diese komischen Seelenwanderer?

Und weil das noch nicht ausreicht, kommt nochmal eine neue Figur mit einem neuen Setting hinzu. Crispin Hershey ist Schriftsteller und trifft Holly, die jetzt auch Schriftstellerin ist, damit sich die beiden anfreunden können und Mitchell weiter an seiner Fantasy-Geschichte schreiben kann. Und wieder ist die Hauptfigur arrogant und nervig. Mitchell, was willst du uns damit denn sagen? Am Schluss sind sie doch alle wieder nett.

"'Ich liebe dich auch.' Gespräch beendet. Benutzen wir das L-Wort, weil wir es ernst meinen oder weil wir uns einreden wollen, dass wir noch im siebten Himmel schweben?" (S. 451)

Es folgt der wohl schlechteste, schlimmste, langweiligste, verworrenste und nervigste Teil des Buches. Anscheinend ist dem Autor langsam aufgefallen, dass er ja mal erklären sollte, was es denn mit den Horologen und ihren Gegenspielern, den Anachoreten, auf sich hat. Deswegen gibt es nun plötzlich einen fancy Showdown in der Kapelle der Dämmerung bei der die Seele des Blinden Kartharers in einer Ikone zerstört werden muss. Was es wirklich alles damit auf sich hat und warum Holly schon wieder in einen Kampf gezogen wird – niemand weiß es. Vielleicht bin ich aber auch nicht klug genug, um die vielen tollen Verknüpfungen und Anspielungen des Autors zu verstehen. Vielleicht versteht es der Autor selber nicht, musste sich aber irgendwas einfallen lassen, weil sein Lektor mit ihm geschimpft hat. (Aber anscheinend war der Lektor so mit Schimpfen beschäftigt, dass ihm Fehler wie folgender, von Holly geäußerter Satz nicht aufgefallen sind: "Aber ich bin Aoifes Mutter und Jackos Bruder […]" S. 658).

Weil mich der vorletzte Abschnitt so geärgert hat, konnte mich leider der letzte Teil des Buches nicht mehr versöhnen, obwohl es dort plötzlich um den Weltuntergang geht. Und ich mag doch Geschichten mit Weltuntergängen und Dystopien.

Meine anfängliche Begeisterung konnte nicht wieder geweckt werden. Vielleicht ist „Die Knochenuhren“ für Mitchell-Fans ein gar großartiges Buch, doch ich komme mit seiner Art und Weise nicht wirklich klar. Und dabei würde ich jetzt nicht unbedingt von mir behaupten, dass ich total auf lineare Erzählweisen stehe. Ich kam mir einfach durchgehend veräppelt vor. Und so möchte ich mich als Leser nicht fühlen. 

1 Kommentar:

Svenja hat gesagt…

Hey Marina,

oh, das klingt jetzt ja ganz schrecklich. Dabei hab ich mir das Buch erst kürzich voller Freude zugelegt.. Lust auf das Buch machen deine Gedanken dazu aber erst einmal nicht.
Bisher hab ich auch noch nichts von David Mitchell gelesen und Der Wolkenatlas als Film hat mich auch nicht packen können - das Buch möchte ich trotzdem noch lesen - aber gut, ich hoffe einfach, dass ich mich mehr mit seiner Art Geschichten zu erzählen anfreunden kann.
Dennoch danke ich für diese Einblicke. :)

Liebe Grüße
Svenja