Originaltitel: "Longbourn" - Aus dem Englischen von Anne Rademacher -
Erschienen bei Knaus - September 2014 - Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar!
"Wenn Elizabeth Bennet ihre Petticoats selbst waschen müsste", dachte Sarah, "würde sie bestimmt sorgfältiger mit ihnen umgehen." Es ist Waschtag auf Longbourn, und das Hausmädchen Sarah müht sich über Wäschebottichen und träumt dabei von einem anderen, aufregenderen Leben. Als der junge James auf dem Hof auftaucht, scheint er wie die Antwort auf ihre Stoßgebete - doch James hütet ein Geheimnis von großer Sprengkraft, das das Leben auf Longbourn für immer verändern könnte.
Stolz und Vorurteil trifft auf Downton Abbey. So hab ich mir "Im Hause Longbourn" von Jo Baker vorgestellt. Ob das Buch diesen relativ hohen Ansprüchen genügen konnte, erfährt man nach einer kurzen Inhaltszusammenfassung.
(Hier könnte man sich jetzt auch gut die Intromelodie von Downton Abbey vorstellen)
Sarah arbeitet als Hausmädchen im Hause Longbourn und erledigt die Aufgaben, die ein Hausmädchen so zu erledigen hat. Wäsche waschen, putzen, kochen, den Mädchen des Hauses beim Ankleiden helfen, frisieren (Locken brennen ... Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich schon Locken habe) und solche Dinge. Der geneigte Leser kennt das Haus Longbourn natürlich, ich bin aber so ehrlich und gebe zu, dass mir der Name des Hauses erst nichts gesagt hat und ich nur aufgrund des Klappentextes die Verbindung zu "Stolz und Vorurteil" gezogen habe. Sarah ist also das Hausmädchen der Familie Bennet und so erleben wir die Geschichte um Elizabeth und Mr. Darcy aus einem anderen Blickwinkel. Denn - wie die Autorin Jo Baker in ihrer Nachbemerkung nachbemerkt - alle Hausangestellten aus "Im Hause Longbourn" kommen auch in "Stolz und Vorurteil" vor, nur sind sie dort namenlose, austauschbare Geister, die unbemerkt durchs Haus schweben und Jane Austens Geschichte nur selten berühren.
Deswegen konnte Jo Baker auch sehr frei agieren und den Hausangestellten ganz unterschiedliche Hintergrundgeschichten verpassen. Sarah und Polly, das andere Hausmädchen, sind beides Waisen, Mrs. Hill ist die Haushältern und mit Mr. Hill, dem alten Kutscher und Hausdiener verheiratet. Eines Tages kommt James Smith nach Longbourn und wird als weiterer Hausdiener angestellt. Warum? Weil er ein spooky Geheimnis in sich trägt.
Wie Elizabeth und Mr. Darcy tänzeln Sarah und James umeinander herum, ohne sich wirklich näher zu kommen. Dann kommt es doch zum ersten Kuss. Alles scheint gut, doch dann verschwindet James plötzlich wieder. Sarah bleibt unglücklich zurück und erst, als aus Elizabeth Benett Mrs. Darcy geworden ist, bringt Sarah den Mut auf, nach James zu suchen.
Bevor ich etwas darüber sage, wie mir das Buch gefallen hat, muss ich noch ein weiteres Geständnis machen: Ich finde Jane Austen langweilig. Das hab ich bereits bei diesem
SuB-Buch anklingen lassen. Ich bin eine Brontë-Schwester. Ich möchte zwar auf jeden Fall noch ein paar mehr Austen-Bücher lesen (bisher hab ich nur "Stolz und Vorurteil" gelesen und das ist schon hundert Jahre her. Genauer gesagt 10 Jahre), aber wenn ich mich bei irgendeinem Psycho-Test zwischen Austen und Brontë entscheiden müsste, würde die Wahl immer eindeutig auf die Schwestern fallen. Da passiert was! Und zwar mehr als nur ein marriage plot. Und meine Befindlichkeiten gegenüber Austen erstrecken sich auch prinzipiell nur auf die Bücher. Ich werde auf jeden Fall in nächster Zeit eine Stolz-und-Vorurteil-Verfilmung gucken, damit ich die Geschichte von "Im Hause Longbourn" mit "Stolz und Vorurteil" verbinden kann. Und auch, wenn Colin Firth der einzige Mr. Darcy ist, werde ich wohl die Verfilmung mit Keira Knightley wählen, weil mir die BBC-Umsetzung einfach viel zu lang ist.
Jetzt - voller Spannung erwartet - meine Meinung zum Buch:
Hmpf.
Ich hab mir wirklich Mühe gegeben, das Buch gut zu finden. Wirklich. Ich wollte nicht schon wieder die kritische Blogtante sein, die immer nur herum kritisiert. Und die Voraussetzungen waren doch so gut. Ich liebe Downton Abbey für seine Oben-Unten-Darstellung und für seine glaubhaften Charaktere. Bei "Im Hause Longbourn" fand ich nur die Original-Austen-Charaktere glaubhaft gezeichnet. Die Charakterisierung und Hintergrundgeschichten jedes einzelnen Hausangestellten fand ich eher unglaubwürdig.
Das trifft insbesondere auf James Smith zu, dessen Vorgeschichte auch mitten in der laufenden Geschichte die Handlung unterbricht. Und dessen spooky Geheimnis es schafft, auch fast einen Original-Austen-Charakter kaputt zu machen. Aber auch nur fast. Denn das Geheimnis ist dann plötzlich nicht mehr wichtig. Da hätte man das auch einfach gleich bleiben lassen können.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich alle eigenen Ideen doof und alles von Jane Austen gut fand. Vom Blickwinkel der Hausangestellten passiert nämlich auch mal was. Jedenfalls so halb. Jedenfalls sitzt man nicht ständig nur rum und wartet. Man könnte also "Im Hause Longbourn" als Kurzfassung von "Stolz und Vorurteil" lesen, denn alle wichtigen Eckpunkte kommen vor. Vielleicht sollte man dann aber doch lieber gleich "Stolz und Vorurteil" lesen. Oder einfach Downton Abbey gucken. Das ist eh immer die allerbeste Variante von allen.