Sonntag, 18. November 2018

Nachlese: "Sechs Koffer" von Maxim Biller


Originalausgabe - Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch - 2018

Sonntagvormittag. Ich habe das Literaturhaus noch nie so hell gesehen, was hauptsächlich daran liegt, dass die meisten Veranstaltungen, die ich dort besuche, in den Abendstunden stattfinden. Dieses Mal nicht. Dieses Mal gibt es eine Matinée im Rahmen des derzeit laufenden Literaturfests. Zu Gast ist Maxim Biller, der seinen im August dieses Jahres erschienenen Roman "Sechs Koffer" vorstellt. Mit eben jenem Roman gelang Biller der Sprung auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018 und "Sechs Koffer" gehört damit - laut Einführung des Literaturhauses - zu den sechs besten Büchern des Jahres. 

So viel Lob scheint Biller unangenehm zu sein. Erste Amtshandlung auf der Bühne: Pullover ausziehen, mit dem darunterliegenden Jeanshemd sieht man direkt jugendlich-frisch aus und passt sich damit ans überraschend junge Publikum im ausverkauften Literaturhaus an. Der erste Lacher, als Moderator Georg M. Oswald eine kurze Zusammenfassung von "Sechs Koffer" liefern möchte: "Was, noch eine Einführung?"

Aber worum geht es eigentlich in "Sechs Koffer"? Ist es eine biografische Erzählung über das große Geheimnis der Familie Biller? Sind es die kindlichen Erinnerungen eines Jungen ohne Heimat? Gibt es im Buch wirklich sechs Perspektiven oder nur die eine, die des namenlosen Ich-Erzählers? Was will "Sechs Koffer"? 

Wie schwierig die Beantwortung dieser Fragen ist, merkt man schon daran, dass es selbst für die Literaturkritiker schwierig ist, zwischen der Figur des Autors und der Figur des Erzählers in "Sechs Koffer" zu unterscheiden. Ja, da erzählt ein Junge von seiner Familie und dem Geheimnis rund um den Tod seines Großvaters, der angeblich von seinem eigenen Sohn verraten und so vom KGB zum Tode verurteilt wurde. Ja, diese Geschichte könnte auch die von Maxim Billers Familie sein, doch: "Das ist nicht meine Schwester. Das sind nur Buchstaben", sagt der Autor zur Frage, ob das Buch seiner Schwester Elena Lappin "In welcher Sprache träume ich?" ihn zum Schreiben von "Sechs Koffer" inspiriert hat. 

Inspiriert habe ihn viel mehr das Geld, denn das Buch entstand nur, weil er für das SZ-Magazin zwei Geschichten über seinen Vater und seine Mutter schreiben sollte. So jedenfalls Billers eigene Erklärung. Und er verstehe auch gar nicht, warum ausgerechnet dieses Buch, das er selbst nicht mag, es so leicht bei den Kritikern hatte. Kokettiert er hier mit dem Lob, dem Erfolg? Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch echte Verwunderung, warum ein 198-Seiten schmales Büchlein so viel mehr Interesse bei den Leserinnen und Lesern erhält als sein vorheriges Buch "Biografie". "Vielleicht wollten die Deutschen damit etwas beim jüdischen Schriftsteller wiedergutmachen! Das ist ja immer ein Thema."

Zack. Da ist es. Das Thema. Sein Thema. Das Jüdisch-Sein. Erst vor ein paar Wochen habe ich "Desintegriert euch" von Max Czollek gelesen, eine Streitschrift gegen das deutsch-jüdische Gedächtnistheater. Dort schreibt Czollek auch über Biller:

"Da nämlich die Lebendigkeit der Juden ein Symbol für die Wiedergutwerdung der Deutschen ist, stellt schlicht alles, was sie tun, eine Befriedigung des deutschen Begehrens dar. Völlig unabhängig davon, was sie konkret machen. Angesichts dieser Ausweglosigkeit kann es für Juden und Jüdinnen eine besondere Freude sein, Widerspruch zu erregen. Das erklärt vielleicht die Lust, mit der Leute wie Maxim Biller, Henryk M. Broder oder Michel Friedman immer wieder die Auseinandersetzung suchten und suchen." (Seite 123)

"Sie sind doch so süß, warum müssen Sie immer so betonen, dass Sie Jude sind?", zitiert Biller eine Sekretärin der Münchner Journalistenschule in den 70er Jahren. 

Diese Reibung mit den öffentlichen Erwartungen ist es, was wohl den Reiz an Maxim Biller ausmacht. Als die Sprache auf sein Ausscheidung im Literarischen Quartett kommt, nickt das Publikum synchron mit bei der Feststellung des Moderators, dass doch er, Biller, einen großen Unterhaltungswert hatte. Und wie war das eigentlich, als das eigene Buch dann dort besprochen wurde?

"Volker war ein bisschen müde."

Über das Lob von Christine Westermann, der einstigen Gegenspielerin im Quartett, habe man sich aber gefreut, die Kritik der beiden anderen Damen wird hingegen kurz abgewunken.

Und dann, dann ist die Matinée schon fast wieder vorbei, Herr Biller muss zum Essen. Er liest noch einen Teil aus "Sechs Koffer" und scheint weiterhin verwirrt, was es ausgerechnet mit "Sechs Koffer" auf sich hat. 

Für mich liegt der Grund in der menschlichen Neugierde. Was ist wahr? Was ist Fiktion? Und wer hat nun den Großvater verraten?

„Weil ich keine Geheimnisse mag.“, sagt der Protagonist in "Sechs Koffer" auf die Frage, warum er so viel über seine Familie schreiben würde. Maxim Biller tut es ihm gleich, erzählt von eben jenen Geheimnissen. Ungekünstelt. Ohne Lösung.

Samstag, 17. November 2018

Vier Bücher für ... den Jahresendspurt.

Wenn ich mal wieder ein Buch beendet habe, stehe ich danach mit großen, verzweifelten Augen vor dem Bücherregal, weil ich mich mal wieder nicht entscheiden kann, welchem Buch ich nun als nächstes meine Aufmerksamkeit widme. Wie ungeduldige Kinder starren mich die Buchrücken ungeduldig an. "Ich steh hier schon viel länger als die olle Ferrante!", meckert Thomas Mann. "Im Buchladen hast du mir versprochen, mich sofort zu lesen!", tönt es von Benedict Wells. Ich halte mir die Ohren (und meistens auch die Augen) zu und versuche, das richtige Buch für die richtige Situation zu finden.

Für die verbleibenden Wochen des Jahres möchte ich es aber einmal mit einer Leseliste versuchen. Bisher bin ich daran immer gescheitert, weil meine Aufmerksamkeitsspanne zu gering ist, um die einmal bereitgelegten Bücher auch wirklich noch interessant zu finden. Doch hiermit nehme ich mir fest und schriftlich vor, folgende vier Bücher 2018 zu lesen. Mal sehen, was daraus wird.


Sonntag, 4. November 2018

Neu im Bücherregal - Die Oktober-Bücher 2018.

Manchmal muss es gar kein neues Bücherregal sein. Manchmal kann man auch einfach beschließen, dass der Schreibtisch aus dem Schlafzimmer raus muss und man den so gewonnenen Platz für ein Regal (kein Bücherregal!) nutzen könnte. Und dann sortiert man Kisten und Stifte und anderen Krimskrams in das neue Regal ein und stellt dabei fest, dass man vielleicht ja doch ein paar Bücher in das Regal stellen könnte. Beispielsweise alle Harry Potter-Bände. Oder die Bibliothek von Babel (gehört nicht mir). Oder alle Kochbücher. Und wie aus dem Nichts hat man so plötzlich wieder Platz in den eigentlichen Bücherregalen. Verrückt! Außerdem kann man das neue Regal direkt für Fotos nutzen. Sieht direkt ganz anders aus. Selbstverständlich wanderten alle fotografierten Bücher danach sofort wieder in ihr eigentliches Zuhause. Schließlich gibt es im Schlafzimmer kein Bücherregal. Ausgeschlossen!


Donnerstag, 1. November 2018

Fotobreze - Oktober 2018


// Immer wieder neue Cafés entdecken. I like // Immer wieder über die eigenen Fähigkeiten staunen. Dann interviewt man auch mal Benedict Wells im Livestream // Immer wieder die Liebe zu Kleidern mit Taschen entdecken // Immer wieder Bücher kaufen, obwohl man nach der Buchmesse eigentlich gar nicht rausgehen wollte // Ach, Berlin. Egal, wie viel Mühe du dir gibst. Das mit uns beiden, das wird langfristig glaub ich nix. Oder halt doch // Wenn man dann aber in Berlin ist, dann muss man auch kurz zu Dussmann. So will es das Gesetz // Und München, ey! Versuchst du jetzt mit dramatischen Sonnenuntergängen den Industrie-Charme meines Arbeitsausblickes zu verschönern? // Zum ersten Mal in einem Bierzelt auf der Wiesn. Nach 30 Jahren muss das wohl auch mal sein // Und dann spricht man auf der Buchmesse halt auch mal Volker Weidermann an und outet sich als Fangirl (Nein, ich hab nicht mit diesem überlebensgroßen Bild gesprochen. Ich meine schon den echten, ne // Schön wars in Frankfurt. Kein Schnee! // Und instagramtaugliche Wände mit Blumen gab es auch! // Und Menschen! So viele nette Menschen! Quatschköpfe wie die mag ich ja am liebsten! //

Entgegen meiner Gewohnheit nach Reisen sofort alles daheim aufzuräumen, steht der Koffer von der Berlin-Reise immer noch im Flur. Verrückt. Berlin wurde bereist, weil dort der erste Block meiner Fortbildung zum Medienmanager stattfand. War sehr schön. Also die Fortbildung. Berlin auch ein bisschen. Davor ging es nach Frankfurt zur Buchmesse, bei der ich das Gefühl hatte, dass doch weniger Leute unterwegs waren als im Jahr davor. Jedenfalls an den Fachbesuchertagen. Trotzdem gab es viele schöne Spontantreffen, die ich ja am liebsten habe. Und ich hab mich fangirlmäßig nicht nur an Volker Weidermann rangemacht, sondern auch an Sophie Passmann. Und in beiden Fällen habe ich keine Beweisfotos gemacht, sondern behalte den Moment ganz allein für mich. Oder so ähnlich. 

Der letzte gelesene Buch-Satz:
"Was passiert dann?"
aus "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari, Seite 407.

Nächsten Monat und so:
Die Lesungen häufen sich wieder. Beispielsweise Maxim Biller! Beispielsweise das Literaturfest München! Muss ich auch bald schon langsam mal mit Weihnachtsgeschenken anfangen? Wie kommt es überhaupt, dass das Jahr schon fast vorbei ist?