Montag, 25. Mai 2015

Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel von Bradley Somer.

Originaltitel: "Fishbowl" - Aus dem Englischen von Annette Hahn - Erschienen im Dumont Buchverlag - März 2015 - 320 Seiten - ISBN: 978-3-8321-9783-4 - EUR 14,99

Goldfisch Ian fällt. Auf seinem Weg nach unten fliegen die Fenster des Wohnhauses, in dem er lebt, in rasender Geschwindigkeit an ihm vorbei - und mit ihnen die Geschichten der Menschen, die dahinter wohnen. Während wir mit Ian mitfiebern, wird ein leben beginnen und eines enden. Und am Schluss werden wir begreifen, dass das Fischglas, das jeden von uns umgibt, zerbrechlicher ist, als wir oft meinen. Ein Roman, so glanzvoll und schillernd wi ein Goldfisch - oder wie das Leben selbst. 

Blubb. Dieses Buch ist wohl der Inbegriff eines Blogger-Buchs. Nach der Buchmesse (oder war es davor?) postete jeder zweite Instagram-Account ein Bild mit dem Buch und mit der Goldfisch-Schneekugel. Und ich  muss leider sagen, dass das Cover halt schon ein arger Blickfang ist. Dann verloste Bröselchen zwei Exemplare des Buches für Blogger - und ratet mal, wer eins bekommen hat? Höhö. Aber weil das noch nicht ausreicht, habe ich die gestrige Lesenacht von Herzpotenzial genutzt, um das Buch zu lesen. Fertig zu lesen. Hab ich jetzt alles verlinkt, was ich verlinken kann? Ach, nein. Blubb. Jetzt aber. Wir konzentrieren uns auf das Buch, denn das ist fantastisch.

Ian, der Goldfisch, fällt aus dem obersten Stockwerk eines sehr hohen Hauses und wir begleiten ihn nach unten. Was wir aber eigentlich machen - wir begleiten das sehr hohe Haus. The Seville on Roxy. Wir blicken in das Gebäude und sehen seine Bewohner. Bei einigen zieht unser Blick vorbei, bei anderen verweilen wir länger. 

Da wäre zum einen natürlich Ian, der eigentlich in einem Goldfischglas lebt, zusammen mit Troy, der Schnecke und einer pinken Burg. Katie wohnt nicht in diesem Haus, steht aber vor einer wichtigen Mission, sie will Connor, ihren Freund, der in dem Haus wohnt, zur Rede stellen. Der hat eine Affäre mit Faye. Jimenez ist der Hausmeister und repariert auf abenteuerliche Art und Weise den Aufzug (ich steige nie wieder in einen Aufzug. Auf jeden Fall die nächsten Wochen nicht mehr). Petunia bekommt ein Kind. Garth freut sich darauf, endlich sein Päckchen auszupacken (wie sehr ich gespannt war, was in dem Päckchen ist. Unglaublich). Claire bäckt eine Quiche. Und Hermann fällt in Ohnmacht.

Ich glaub, das waren alle. Neun Personen. Gut. Acht Personen und ein Goldfisch. In jedem Kapitel begleiteten wir jemanden anderen, insgesamt bleiben wir nur eine halbe Stunde im Haus und erst im letzten Kapitel fügt sich alles zeit- und raumtechnisch zusammen. 

Der Kaffeebecher steht im Regal, denkt Ian und hält abrupt inne. Es wäre klischeehaft und falsch zu sagen, er würde "Staub ansammeln", weil das Verb ein aktives ist und Tassen nicht aktiv werden können.

Die Idee, unterschiedliche Menschen, die sich nicht kennen, durch kleine Gegebenheiten zu verbinden, kennt man von "Tatsächlich ... Liebe". Da fand ich das schon toll. Hier kommt noch ein Goldfisch dazu. Und es gibt durch das Haus eine tatsächliche Verbindung zwischen allen Protagonisten, die alle so - normal, durchschnittlich sind und doch alle einen besonderen Punkt haben. Ich hab mich auch bei jedem gefreut, wenn das Buch wieder zu ihm zurück kam. Nur Hermann fand ich ein bisschen schwach, aber ich mag auch kluge Kinder in Büchern relativ selten. 

Ein Buch ohne Kitsch und Pathos über das alltägliche Leben in einem Haus. Und über einen Goldfisch, der so kluge Dinge denkt und sie gleich wieder vergisst. Lesenswert!

Ein Goldfisch braucht weniger als vier Sekunden, um die Entfernung zwischen dem siebenunzwanzigsten Stock und dem darunterliegenden Gehsteig zu überwinden. Wie ein Blitz. Es ist die Zeitspanne, die man braucht, um eine Haustür aufzuschließen. Die Zeitspanne, die man braucht, um einen oder zwei Sätze zu lesen. Für Ian ist es eine Lebensspanne der Wunder.

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Heiliger! Du bist ja fix! Nachts noch durchgelesen und schon rezensiert! Wahnsinn. Das hätte ich auch gern mal...Dann war der Abend gestern wohl ein voller Erfolg für dich. Das finde ich klasse!
(Auch, dass dir das Buch gefallen hat. Bei mir ist es voll durchgefallen und ich ärgere mich manchmal über mich selbst, dass ich leichte Unterhaltung nicht als solche Genießen kann)
Liebe Grüße
Mareike

Marina hat gesagt…

Ah! Dann war das bei euch/dir, wo ich eine schlechte Rezension zum Goldfisch gelesen habe. Ich war deswegen nämlich auch sehr skeptisch, weil ich "lustige" Bücher nämlich meistens nicht lustig finde. Aber hier hatte ich gar nicht den Eindruck, dass das Buch versucht, lustig zu sein. Wenn dann versucht das der Titel, aber das bezieht sich ja nur auf die deutsche Ausgabe.
Ein Kritikpunkt der mir gerade noch eingefallen ist, als ich deine Rezension gelesen habe - die Wiederholung von Szenen ist manchmal unpassend. Also, nicht, dass die Szene aus einem anderen Blickwinkel erzählt wird. Sondern, dass genau die gleichen Sachen von der gleichen Person nochmal gesagt oder gedacht werden. Und das kam häufiger vor und stört irgendwie.

Wiebke hat gesagt…

Nach dem du in der Lesenacht so frisch und begeistert davon berichtet hast, hab ich jetzt glatt Lust das Buch zu lesen. (: