Sonntag, 14. Juni 2015

Zeiten des Aufruhrs von Richard Yates.



Originaltitel: Revolutionary Road - Aus dem Englischen von Hans Ulrich Wolf - Erschienen in der Deutschen Verlags-Anstalt - 2008

1955, in einer Vorstadt nahe New York: Hinter dem gepflegten Vorgarten tobt ein Ehekrieg, der sich an harmlosen Äußerungen entzündet, allmählich zu Hasstiraden steigert, um schließlich in bedrohlicher Wortlosigkeit zu enden.

Sowohl das Buch als auch der Film zu "Zeiten des Aufruhrs" standen irgendwie schon länger im Regal. Im Buchregal und im Filmregal. Ein paar Mal wurde schon überlegt, den Film zu gucken, aber dann habe ich mich doch immer dagegen entschieden, weil ich erst das Buch lesen wollte. Man weiß ja nie, was der Film schlimmes mit dem Buch anstellt. Irgendwann war mir das aber doch zu doof und wir haben den Film geguckt. Mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet als gescheitertes Ehepaar in den 50er Jahren. Vielleicht eine lustige "Was wäre, wenn Jack damals im Eismeer nicht ertrunken wäre?"-Hommage. Wobei mir gerade auffällt, dass das mit dem Alter nicht hinkommt. Jedenfalls mochte ich den Film. Diese komplette Sprachlosigkeit und Nicht-Kommunikation wurde von DiCaprio und Winslet sehr eindringlich und sehr erschütternd dargestellt. 

Nach dem Film ist vor dem Buch und so habe ich in der letzten Woche (beziehungsweise bereits in Salzburg) mit der Lektüre begonnen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Weder hat der Film das Buch, noch das Buch den Film kaputt gemacht. Der Film hält sich streng an die Vorlage, ohne alles sklavisch abzuarbeiten. Wen also die Geschichte interessiert, aber nicht weiß, ob er zu Buch oder Film greifen soll, sollte einfach sein Lieblingsmedium wählen. Das passt dann schon.

Frank und April Wheeler wohnen mit ihren beiden Kindern in einem kleinen, spießigen Vorort in einem kleinen spießigen Haus, versorgt von Franks spießigen Job in einer Firma für Büromaschinen. Beide fühlen sich aber erhaben über diese Spießigkeit. Für sie ist da ja nur ein Spiel, ein Spaß, eine Übergangslösung. Die Übergangslösung besteht seit der Geburt des ersten Kindes und eigentlich sieht es nicht so aus, als würden sie diese Übergangslösung irgendwann hinter sich lassen. Als April vorschlägt, das alte Leben in den USA hinter sich zu lassen und nach Europa zu gehen, rechnet sie nicht mit Franks Ablehnung. Er stimmt dem Plan zwar zu, als April aber schwanger wird, ist er sehr begeistert darüber, dass der Plan nun leider abgebrochen und verschoben werden muss. Was folgt, ist die Zuspitzung eines Konflikts, der bereits seit Beginn der Beziehung vor sich hin brodelt und tragisch endet. 

Yates versteht es, seine Protagonisten sprechen, aber nicht kommunizieren zu lassen. Oft finden die Gespräche zwischen Frank und April nur in Franks Kopf statt, er ahnt ihre Antworten und versucht schon im Voraus darauf zu reagieren. Zudem krankt die Beziehung zwischen den beiden meiner Meinung hauptsächlich daran, dass sich beide in Wunschvorstellungen verliebt haben und diese lieben, nicht den Partner. Dass sie diesen Zustand so lange unbemerkt aufrecht erhalten konnte, ist erstaunlich. Hinzu kommen die Nebenschauplätze, wie das befreundete Ehepaar Campbell, dessen männlicher Part Shep sich in April verliebt hat, und die Immobilienmaklerin Mrs. Givings, die versucht, ihren Sohn, der in einer Irrenanstalt sitzt, mit den Wheelers bekannt zu machen, nein, eigentlich zu verkuppeln, weil sie sich dadurch Stabilität und Normalität im Leben ihres Sohnes wünscht. Irgendwie ist der verrückte John aber der einzige, der hinter die Fassade des glücklichen Ehepaares blickt. 

Ein gutes Buch also, über Bilder und Zwänge, die wir uns, die die Gesellschaft uns auferlegt, die wir erfüllen wollen und müssen und über das, was passiert, wenn das nicht mehr funktioniert. 

Auf jeden Fall möchte ich noch weitere Bücher von Richard Yates lesen und habe bereits "Easter Parade" ins Auge gefasst. Kennt das wer? Oder lohnt sich ein andere Buch von ihm noch mehr?

2 Kommentare:

Bookster HRO hat gesagt…

Moin! Hab zwar noch nicht alle Yates-Romane gelesen, aber ZEITEN DES AUFRUHRS ist schon ein Meisterstück. EASTER PARADE hat mich nicht ganz überzeugt, empfehlenswert ist dagegen sein Zweitling EINE BESONDERE VORAHNUNG. Von vielen sehr positiv aufgenommen wurde COLD SPRING HARBOR, das erst vor Kurzem (mit knapp dreißig Jahren Verzögerung) ins Deutsche übertragen wurde.
Beste Grüße aus dem Norden!
Bookster HRO

p.s.: Toller Blog! Weiter so!

Bookster HRO hat gesagt…

p.p.s.: Yates' Zweitling heißt natürlich EINE BESONDERE VORSEHUNG...