Sonntag, 14. Februar 2021

Vier Bücher für ... Geschichte.

Schon viel zu lange habe ich mich nicht mehr der "Vier Bücher für ..."-Kategorie gewidmet. Das soll sich nun ändern und starten soll dieser Relaunch mit einem Blick in die Vergangenheit. Es wird historisch! Nur eben auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen und mit möglichst wenig Staubmäusen. Auf den ersten Blick mögen die vier Bücher nicht viel miteinander gemeinsam haben. Dabei feiern zwei der portraitierten Personen gerade runde Geburtstage (90. Geburtstag von Thomas Bernhard am 9. Februar und 200. Geburtstag von Lola Montez am 17. Februar), zwei Bücher spielen in München und zwei Bücher wählen einen ungewöhnlichen Weg, Geschichte darzustellen. So viel Geschichte. Und da geht bestimmt noch mehr: Habt ihr noch weitere Vorschläge für Bücher, die sich historischen Themen annehmen? 

"The Five. Das Leben der Frauen, die von Jack the Ripper ermordet wurden" von Hallie Rubenhold.
Während sich normalerweise Filme, Bücher, Serien und andere Medien auf Jack the Ripper und das Rätsel um seine (oder ihre?) Person konzentrieren, stellt Hallie Rubenhold die fünf Frauen in den Mittelpunkt, die von Jack the Ripper ermordet wurden. Dabei rekonstruiert Hallie Rubenhold mit einer bewundernswerten Detailliebe das Leben der fünf Frauen, sodass ich nur sprachlos staunen kann, wie man 130 Jahre nach den Morden so viel über die Frauen berichten kann, die sonst immer nur als Prostituierte abgetan werden. Ein famoses Beispiel, wie lebendig Geschichte sein kann. 
Originaltitel: "The Five. The untold lives of the women killed by Jack the Ripper" - Aus dem Englischen von Susanne Höbel - Erschienen bei Nagel & Kimche - 2020

"Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen" von Volker Weidermann. 
Volker Weidermann erzählt Geschichte auf eine andere Art und Weise, denn er erzählt – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie schon bei "Ostende" und "Das Duell" nutzt Volker Weidermann das Leben großer Schriftsteller, um historische Ereignisse einzuordnen und zu vermitteln. Dabei entsteht für mich ein erzählerischer Sog, wie ich ihn sonst nur aus Romanen kenne. Die Münchner Räterepublik wird durch die Perspektive von Ernst Toller, Thomas Mann, Oskar Maria Graf und Erich Mühsam so lebendig wie nie. So findet man sich plötzlich als Zeitzeug*in auf der Theresienwiese wieder und steht zusammen mit den Münchner Bürgerinnen und Bürgern in vorderster Reihe, wenn Geschichte gemacht wird.
Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg - Originalausgabe erschienen bei Kiepenheuer & Witsch 2017

"Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen. Das Leben der Lola Montez" von Marita Krauss.
Das mag eine peinliche Bildungslücke sein, aber von Lola Montez hatte ich bis zur Ankündigung dieses Buches nichts gehört. Was ich dann aber im Pressetext gelesen habe, hat mich sehr neugierig gemacht. Eine Tänzerin unbekannter Herkunft sorgt dafür, dass der bayerische König 1848 zurücktritt? Hello! Dementsprechend groß waren die Erwartungen an die Biografie, doch leider ließ mich die Lektüre enttäuscht zurück. Ja, das Leben von Lola Montez ist faszinierend. Als Tochter eines britischen Offiziers wuchs sie in Indien auf, wurde nach England ins Internat geschickt und heiratete viel zu früh viel zu unglücklich, um sich dann nach der Scheidung als spanische Tänzerin neu zu erfinden und nach Skandal um Skandal (Reitgerte inklusive!) das Herz des bayerischen Königs Ludwig I. zu erobern. Am Thronverzicht ist sie nicht alleine schuld, die politische Lage im Vormärz war bereits ohne ihr Zutun angespannt, doch als sie aus München vertrieben wird, nutzt sie die Gunst der Stunde und reist in die USA, um dort ihr Leben auf die Bühne zu bringen und gewinnbringend zu vermarkten. Aber trotz dieser guten Grundlage kann das Buch dieses einzigartige Leben nur unzureichend vermitteln und hängt zu sehr an eintönigen Biografiemustern fest. Ich hätte mir hier mehr Mut für ein neues Konzept gewünscht – wie man es bei Lola Montez erwarten würde. 
Originalausgabe - Erschienen bei C.H.Beck - 2020 - Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!

"Thomas Bernhard. Die unkorrekte Biografie" von Nicolas Mahler. 
Während die bisher vorgestellten Bücher das Leben und Wirken verschiedener Menschen so genau wie möglich darstellen wollen, erhebt Nicolas Mahler diesen Anspruch erst gar nicht und nennt sein Buch über den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard direkt "unkorrekte Biografie", die zum Ende hin auch direkt mit der Rubrik "Fehlerquellen" ausgestattet ist. Nicolas Mahler erschafft trotzdem oder gerade deshalb einen schwarz-weißen Bilderreigen, der Thomas Bernhard wieder lebendig werden lässt.  Wer den Autor von "Holzfällen", "Alte Meister" und anderen grantig-schönen Büchern schätzt, der wird  eine wahre Freude an diesem Bändchen haben.
Originalausgabe - Erschienen im Suhrkamp Verlag - 2021

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