Samstag, 4. Februar 2023

Lesezeit im Januar 2023

Wie schnell und wie langsam der erste Monat 2023 doch vergangen ist. Es war kalt und grau, es ging häufig ins Kino, ich bin nach Berlin gefahren, um Jan Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld zu sehen, es wurde Kaffee getrunken und gearbeitet und erstaunlich viel gelesen. Acht Bücher kann ich im Januar aneinanderreihen und das ist doch schon recht nett. Insbesondere, weil ich vergangene Woche wirklich gar nichts gelesen habe. Dabei wartet Virgina Woolf mit einem guten Leseprojekt auf mich. Hoffentlich gibt es Ende Februar mehr davon zu berichten. 


»Teich« von Claire-Louise Bennett. Aus dem Englischen von Eva Bonné.
Mein Wichtelbuch aus dem Buchclub hat mich ratlos-beglückt zurückgelassen, denn ich könnte leider gar nicht beschreiben, um was es überhaupt geht, doch irgendwie ist das hier auch gar nicht so entscheidend. Stattdessen gibt es einen Gedankensalat rund um das Leben auf dem Land mit Gartenarbeiten, Tomatenmark,  Partyplanungen, Männern, die weit weg sind, und Einfällen, wie: »Heute hasse ich die Farben aller Dinge, besser gesagt ihren Mangel an Haltung.« (Seite 193). Ich bin so entzückt, in Berlin habe ich mir direkt ein weiteres Buch der Autorin gekauft, nämlich »Checkout 19«.

»Zusammenkunft« von Natasha Brown. Aus dem Englischen von Jackie Thomae.
Rassismus, Mikroaggressionen, toxisches Arbeitsklima und der vermeintlich rettende Weg nach oben. Natasha Brown erzählt davon in einer scheinbar leisen, kleinen Geschichte, die gerade deswegen tief wütet. 

»(K)eine Mutter« von Jeanne Diesteldorf.
Das Buch versammelt zwölf Abtreibungsgeschichten, die einen immer wieder mit der Frage zurücklassen, warum einem der Weg zu einer Abtreibung so schwer gemacht wird. 

»Lügen über meine Mutter« von Daniela Dröscher.
Nachdem das Buch auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2022 stand, habe ich es nun endlich auch gelesen (hier nochmal mein Eindruck zur Leseprobe). Gelesen oder inhaliert, man weiß es nicht, jedenfalls hat es nicht einmal für die komplette Zugfahrt von München nach Berlin gereicht. Ich bin sehr begeistert von dieser traurig-realen Mutter-Tochter-Geschichte mit all ihren kritischen Beobachtungen gegenüber der Gesellschaft und unserem Frauenbild. 

»Der junge Mann« von Annie Ernaux. Aus dem Französischen von Sonja Finck.
Ach, Annie Ernaux. So sehr ich ihre bisherigen Bücher mochte, so sehr macht es mir »Der junge Mann« schwer, mich auf den Text zu konzentrieren und allein diesen zu bewerten, wo doch eh so wenig Text im Buch enthalten ist und genau dieser Punkt mich so ärgerlich macht. 48 Seiten hat das Buch laut Verlag, 33 Seiten sind mit luftig gesetztem Text bedruckt und obwohl ich häufig der Meinung bin, dass Bücher teurer sein sollten, finde ich hier 15 Euro schon ein bisschen frech. Ein Nachwort, eine Einordnung, ein weiterer kleiner Text, irgendetwas hätte man doch noch hinzufügen können, um den Druck zu rechtfertigen. Für mich wirkt »Der junge Mann« wie eine kleine Fingerübung zu einem ganz anderen Text und es ist schade, dass hier nicht mehr kommt. 

»Asymmetrie« von Lisa Halliday. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs.
»Am dritten Sonntag kaufte er bei Mister Softee zwei Hörnchen und bot ihr eins davon an. Alice nahm es, genau wie zuvor die Schokolade, denn es begann schon zu tropfen, und mehrfache Pulitzer-Preisträger hatten ohnehin Besseres zu tun, als Leute zu vergiften.« (Seite 13)
Ein alternder Schriftsteller, eine junge Frau – Can I make it any more obvious? Wenn Lisa Halliday nur eine fiktionale Version ihrer echten Beziehung zu Philip Roth erzählen würde, wäre das ein sehr unangenehm-voyeuristisches Buch. Doch ihr gelingt mit dem zweiten Teil ein ganz famoser, unerwarteter Twist, der mich wohlgesinnt auf die Lektüre zurückblicken lässt.

»Die Leute vom Hellemyr. Band 1. Sjur Gabriel« von Amalie Skram. Aus dem Norwegischen von Christel Hildebrandt.
»Die Leute vom Hellemyr. Band 2. Zwei Freunde« von Amalie Skram. Aus dem Norwegischen von Nora Pröfrock.

Ein ganz fabelhaftes Leseprojekt hat Magda hier gestartet. #hellemyrlesen – Alle vier Bände von Amalie Skrams großer norwegischer Familiensaga, die auf Deutsch in einer sehr schönen Ausgabe bei Guggolz erschienen ist. Band 1 und 2 habe ich bereits gelesen und trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit dem nordischen Dialekt bin ich doch sehr eingenommen von der empathischen Erzählung vom ländlichen Leben im Norwegen des 19. Jahrhunderts. Wobei in Band 2 Norwegen recht schnell verlassen wird und wir einem Schiffsjungen auf der Fahrt nach Jamaika folgen. Hätte ich so auch nicht erwartet. Band 3 und 4 stehen schon bereit, ich muss mich nur ein wenig beim Lesetempo bremsen, damit ich nicht zu sehr dem Lesekreis vorauseile. 

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