Samstag, 26. März 2022

Vier Bücher für ... den Indiebookday 2022.

Hallo, Indiebookday 2022! Wie schon in den vergangenen Jahren habe ich mich schon sehr auf diesen Tag gefreut und wie schon in den vergangenen Jahren (hier beispielhaft aufgeführt: 2021 oder 2020) gibt es heute leider keinen Tour durch die Münchner Buchhandlungen, um nach Büchern von unabhängigen Verlagen zu stöbern. Stattdessen habe ich Mitte der Woche schon eine Buchbestellung abgeholt, die dieses Jahr etwas kleiner ausgefallen ist (»Der Fuchs und Dr. Shimamura« von Christine Wunnicke, »Das Paradies ist weiblich« herausgegeben von Tanja Raich und »Kanada« von Juan Gómez Bárcena). Ich möchte euch heute aber vier Bücher aus unabhängigen Verlagen vorstellen (dabei handelt es sich bei allen vier Büchern um Rezensionsexemplare. Vielen lieben Dank an die Verlage!), die ich in der letzten Zeit gelesen und für gut befunden habe. Vielleicht kann euch das ja als Inspiration dienen, wenn ihr heute noch einen Ausflug in die Buchhandlung plant. Oder nächste Woche. Oder wann anders.

Zuvor aber noch: Was ist denn eigentlich der Indiebookday? Der Indiebookday wurde 2013 auf Initiative des mairisch Verlags ausgerufen und soll Bücher und Verlage in den Mittelpunkt stellen, die im Fahrwasser der großen (Konzern)Verlage oft etwas untergehen. 

Seit letztem Jahr bin ich bei den Autor*innen von We read Indie mit dabei und dort findet ihr auch einen neuen Definitionsbeitrag, was für uns Indie-Verlage sind. Dabei lehnen wir uns auch an die Definition der Kurt-Wolff-Stiftung an.

Und nun aber ohne viele weitere Worte – meine vier Bücher für den Indiebookday 2022:


»Meter pro Sekunde« von Stine Pilgaard. Aus dem Dänischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Kanon Verlag. 2022.
Eskapismus in Dänemark. Eine junge Frau zieht mit Mann und Baby ins Nirgendwo der dänischen Fjorde, wo ihr Mann als Lehrer in einer Heimvolksschule arbeitet. Anschluss suchend in der Schul- und Dorfgemeinde muss die Frau bald feststellen, dass sie mit ihrer speziellen Art gegen eine schweigsame Mauer stößt. Ablenkung findet sie in ihrer Tätigkeit als Kummerkasten-Tante der örtlichen Zeitung, wobei ihre Ratschläge auf wenig Gegenliebe treffen. Und auch die Fahrstunden zur Erlangung eines Führerscheines sind nicht von Erfolg gekrönt. Neben den Zeitungskolumnen finden sich im Buch auch einige umgeschriebene Liedtexte, für die der Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel meine vollste Hochachtung hat. »Meter pro Sekunde« ist ein ganz famoses Lesevergnügen, wenn man sich auf die melancholisch-komödiantischen Einfälle der Autorin einlässt. 

»Danke für Schnee und Schmetterlinge
Danke für jeden Tag zu zweit
Danke, dass wir die Sprache lieben
Als Gemeinsamkeit.« (Seite 94)

»Vater und ich« von Dilek Güngör. Originalausgabe. Verbrecher Verlag. 2021
Dieses komische Gefühl, wenn man als Erwachsene zu Besuch bei seinen Eltern ist und die Rollen nicht klar sind. Ist man nun Kind? Ist man erwachsen? Wie eigenständig nehmen die eigenen Eltern einen wahr? Ipek besucht übers Wochenende ihren Vater, der gerade alleine zu Hause ist, weil Ipeks Mutter mit Freundinnen Urlaub macht. Es wird ein schweigsames Wochenende, Vater und Tochter schleichen umeinander herum, versuchen sich in alte Gewohnheiten zu retten und bleiben dabei betreten in der Vergangenheit stecken. Dilek Güngör fängt diese Sprachlosigkeit bewundernswert leicht und doch emotional ein und lässt Tochter, Vater und Leser*innen unverrichteter Dinge ziehen.

»Wir freuen uns, so beiläufig, so verdeckt, dass es keiner sieht. Nicht einmal wir.« (Seite 9)

»Alles spricht« von Nicolò Targhetta. Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Antje Kunstmann Verlag. 2022.
Die namenlose Protagonistin taucht am liebsten lange im Schwimmbad ab und genießt die vollkommene Stille. Denn an der Oberfläche spricht alles mit ihr. Wirklich alles. Das bereits erwähnte Sofa, die Zimmerpflanze, ihr Passfoto, der Bart eines Partyflirts, selbst die Leere, alles und jeder sieht sich bemüßigt ihr Leben zu kommentieren. Und zu kommentieren gibt es da einiges. Erst macht ihr Freund mit ihr Schluss, dann steht sie ohne Wohnung und ohne Job da. Was nun? Tief durchatmen unter Wasser und sich dem Leben stellen. Und all den Dingen, die darin sind. Das gelingt »Alles spricht« mal besser, mal schlechter und bleibt dabei auf einer unterhaltenden Oberfläche verhaftet. 

»Mit verschränkten Armen und sauer auf das Universum, kommt sie zu dem Schluss, dass das Sofa vielleicht nicht ganz falschliegt.« (Seite 32)

»Singe ich, tanzen die Berge« von Irene Solà. Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann. Trabanten Verlag Berlin. 2022.
Wenn Wolken sich über Hagel freuen und Pilze gar nicht mal so stumm im Wald stehen. Wenn ein Blitz in einen Mann einschlägt und die Familie zerbrochen zurückbleibt. Wenn ein Rehbock vor dem Tod davonläuft und der Tod ein anderes Opfer findet. Wenn Gedichte von den Bergen widerhallen und Landmassen sich verschieben, dann ist man bereits mittendrin in »Singe ich, tanzen die Berge« von Irene Solà. Ein Fest der Geschichten, der Stimmen und Chöre tönt hier von den Kuppen der Pyrenäen und entfaltet eine ganz eigene magisch-realistische Sogwirkung auf die geforderten Leser*innen. 

»Schscht. Und alle verstummen, denn wir waren ein strenges Dach, das über die Ruhe und das Glück entschied, den Geist im Trockenen zu haben.« (Seite 11)

Und ich schummle noch ein bisschen und empfehle noch ein fünftes Buch, indem ich auf meinen letzten Beitrag bei „We read Indie« verweise, denn »Ist das hier das Jenseits, fragt Schwein« von Noemi Somalvico ist ein wirklich famos-melancholisch-humorvolles Buch!

2 Kommentare:

Livia hat gesagt…

Hallo meine Liebe

Abgesehen von "Alles spricht", sind mir alle deiner Bücher schon begegnet. "Vater und ich" habe ich meinem Vater zum Geburtstag geschenkt und hoffe, das Buch einmal bei ihm mitgehen lassen zu können ;-)

"Singe ich, tanzen die Berge" möchte ich im Sommer lesen, das klingt super und "Meter pro Sekunde" werde ich mir auf jeden Fall einmal näher ansehen, obwohl mir das Cover nicht gefällt. Es sind mir nämlich schon einige begeisterte Rezensionen begegnet.

Alles Liebe an dich und vielen Dank für die Zusammenstellung
Livia

Marina hat gesagt…

Och, ich find das Cover zu »Meter pro Sekunde« eigentlich ganz nett. Das ist ja so ein halber Schutzumschlag und da passt irgendwie ganz gut zum Buch. Ich wünsch dir viel Spaß beim Lesen!