Wir befinden uns mitten in der großen Literaturpreissaison. Deutscher Buchpreis. Bayerischer Buchpreis. Österreichischer Buchpreis. Schweizer Buchpreis. aspekte-Literaturpreis. Und so weiter und so fort. Zum Deutschen Buchpreis gehört eine meiner liebsten Traditionen, nämlich die Beurteilung der Leseproben der zwanzig nominierten Titel. Und nachdem die Longlist für den Deutschen Buchpreis bereits seit dem 19. August bekannt ist und am 16. September die Shortlist veröffentlicht wird, nutze ich nun die Gelegenheit, um noch meine sehr persönliche Sicht auf die nominierten Titel mit euch zu teilen.
Wie gewohnt gibt es zu jedem Titel eine kurze Zusammenfassung, einen schönen Satz und eine ausgefeilte Smiley-Weiterlesen-Skala. Außerdem ergänze ich wieder ein passendes gif (und ich bin so sehr ein Millennial, dass ich das auch nur mit Simpsons-gifs machen könnte, danke der Nachfrage!)
Und damit wünsche ich viel Spaß bei ...
Nordbrezens Deutscher-Buchpreis-Longlist-Leseproben-Lese-Erfahrung
»Lebensversicherung« von Kathrin Bach. Erschienen bei Voland & Quist.
Inventur eines Dorfes.
»Meine Eltern verkaufen Versicherungen. Für alles, was passieren kann. Ich schreibe. Über das, was passiert ist.«
Weiterlesen? 🙂
»Buch der Gesichter« von Marko Dinić. Erschienen bei Paul Zsolnay.
Kein Wunder, dass es »Dachshund« heißt.
»Was aber, fragte er sich, machte der Hund eines Aristokraten hier in der Einöde, in der es keine Leinwand gab, die das Geschehen einhegen konnte?«
Weiterlesen? 🙂
»Und Federn überall« von Nava Ebrahimi. Erschienen bei Luchterhand.
Dreimal Montag.
»Schon rollte die Wut in ihr aus, doch nein, halt, halt, halt, der Tag war erst wenige Sekunden alt, sie hatte die Welt nicht einmal richtig scharf gestellt, wollte sie diese Woche wirklich so beginnen?«
Weiterlesen? 🙂
»Die Holländerinnen« von Dorothee Elmiger. Erschienen bei Hanser.
Ziegenbabysitting.
»Langsam sei das Licht weicher und die Ebene irgendwie blauer geworden, und in diesem Moment habe sie sich vorgestellt, dies wäre ihr Hof, dies wäre ihr Land, das sie ganz allein bewirtschaften würde, und die Vorstellung einer solch enormen Unabhängkeit habe in ihre eine Art nervöses Fieber, eine große Aufregung ausgelöst.
Weiterlesen? 🙂
»Die Ausweichschule« von Kaleb Erdmann. Erschienen bei park x ullstein.
Tee trinken mit Nutria und Joachim Meyerhoff.
»Wenn man sich mit solchen vergrabenen Erinnerungen beschäftigt, dann ist ein Aufguss eine schöne Metapher.«
Weiterlesen? 🙂
»Schwebende Lasten« von Annett Gröschner. Erschienen bei C.H.Beck.
Mit dem Hund in die Tram und in Gedanken im Blumenladen.
»Die später, nachdem ihr Blumenladen im Knattergebirge genannten Armenviertel der Stadt längst Geschichte war, von einem Kran in der Halle eines Schwermaschinenbaubetriebes einen guten Überblick auf die Beziehungen der Menschen unter ihr hatte und die rechtzeitig starb, bevor sie die Welt nicht mehr verstand.«
Weiterlesen? 😐
»Russische Spezialitäten« von Dmitrij Kapitelman. Erschienen bei Hanser Berlin.
Russisch-ukrainischer Wetterbericht mit Schnee.
»Denn jeder weiß doch, dass Legenden nichts anderes als eine glückliche Familie vieler Erzählungen sind.«
Weiterlesen? 🙂
»Im Herzen der Katze« von Jina Khayyer. Erschienen bei Suhrkamp.
Die doppelte Jina.
»Ich schaue auf das Mädchen, das meinen Namen trug, und frage mich, warum ich in sechsundvierzig Jahren noch nie von jemandem gehört habe, der so heißt wie ich.«
Weiterlesen? 🙂
»ë« von Jehona Kicaj. Erschienen bei Wallstein.
Sprache und Grenze.
»Die Wahrheit scheint zu sein: Ich zermahle jedes einzelne Wort, bevor ich spreche.«
Weiterlesen? 🙂
»Die Verdorbenen« von Michael Köhlmeier. Erschienen bei Hanser.
Einen Satz denken.
»... die Literaturredaktion lud mich ein, nach Frankfurt in die Bertramstraße 8 zu kommen. Das tun die doch nur, wenn sie sich etwas versprechen!«
»Verzauberte Vorbestimmung« von Jonas Lüscher. Erschienen bei Hanser.
Vielleicht hat der Soldat einen Namen. Vielleicht aber auch nicht.
»Und dieses Gerauche? Das ist doch auch Kitsch. Das kann ich doch bleiben lassen – als würde eine Geschichte glaubhafter, wenn man sie mit dem Geruch von Tabak imprägniert und mit bedeutungsschweren Rauchwolken dekoriert.«
»Haus zur Sonne« von Thomas Melle. Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.
Das tut schon wieder so weh.
»Ich hatte mich bei der Niederschrift des Buches noch einmal mit aller Kraft gegen die Krankheit gestemmt – und verloren.«
Weiterlesen? 🙂
»Single Mom Supper Club« von Jacinta Nandi. Erschienen bei Rowohlt Hundert Augen.
Mütter schreien und kümmern sich.
»Antje dagegen hat die Ausstrahlung einer Projektmanagerin oder einer Jobcenter-Mitarbeitern, in anderen Worten: gar keine.«
Weiterlesen? ☹️
»Die Sprache meines Bruders« von Gesa Olkusz. Erschienen bei Residenz.
Wer pfeift da?
»Er stürzt dem Bruder nach, das muss er, denn wieso soll einer pfeifen, der das gar nicht mag.«
Weiterlesen? ☹️
»Das Schwarz an den Händen meines Vaters« von Lena Schätte. Erschienen bei S. Fischer.
Papazeit.
»Dann hexen sie den Elefanten gemeinsam zurück in den Zoo, meine Mutter fängt an zu weinen und schlägt auf das Lenkrad.«
»Blinde Geister« von Lina Schwenk. Erschienen bei C.H.Beck.
Sportunterricht.
»Das ist das Schwerste. Ohne Laut vorwärtskommen.«
Weiterlesen? 🙂
»Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« von Fiona Sironic. Erschienen bei Ecco.
Das Internet ist für uns alle Neuland.
»Wenn sie nicht mit Scheuklappen in einem abgedunkelten Raum sitzt, hat sie eine Aufmerksamkeitsspanne von fünf Minuten, deswegen wohnen wir auch so weit draußen ohne Nachbarn an diesem Waldrand.
Weiterlesen? 🙂
»Rom sehen und nicht sterben« von Peter Wawerzinek. Erschienen bei Penguin.
Reiseschwierigkeiten.
»Betreibe ununterbrochen Wortspiel mit dem Namen der Ewigen Stadt.«
Weiterlesen? ☹️
»Wachs« von Christine Wunnicke. Erschienen bei Berenberg.
Mehr Küchenschellen!
»Man konnte schlecht klopfen und sagen, Verzeihung, ich bin die Blumenmalerin, ich möchte in mein Körbchen etwas Unkraut aus Ihrem Garten legen, weil mich heute früh ein Fanatismus überkam.«
Weiterlesen? 🙂
»Sohn ohne Vater« von Feridun Zaimoglu. Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.
Vater stirbt.
»Was hat Vater mir als Kind gesagt? Wenn du aus dem Haus gehst, zieh die Schuhbänder fest und streich die Hose an den Knien glatt. Ich halte mich daran.«
Weiterlesen? ☹️
Damit fällt das offizielle Smiley-Ergebnis für die Leseproben des Deutschen Buchpreises 2025 folgendermaßen aus:
🙂 = 14
😐 = 2
☹️ = 4
Meine persönliche Shortlist wäre:
- »Lebensversicherung« von Kathrin Bach
- »Die Holländerinnen« von Dorothee Elmiger
- »Die Ausweichschule« von Kaleb Erdmann
- »Verzauberte Vorbestimmung« von Jonas Lüscher
- »Haus zur Sonne« von Thomas Melle
- »Wachs« von Christine Wunnicke
»Wachs« von Christine Wunnicke habe ich bereits gelesen und wirklich sehr geliebt. »Lebensversicherung« von Kathrin Bach und »Die Ausweichschule« von Kaleb Erdmann habe ich mir gestern nach der Lektüre der Leseproben direkt gekauft und ich freu mich schon sehr auf die Bücher.
Wie die Jury entscheidet, erfahren wir am 16. September. Die Preisverleihung für den Deutschen Buchpreis 2025 findet am 13. Oktober statt.
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